Nach dem Untergang der Luxusjacht „Bayesian“ vor der Küste Siziliens ist das Verhalten der Besatzung wegen möglicherweise schwerer Fehler ins Visier der Ermittler geraten. Kapitän auf dem Segelschiff war der 51-jährige Neuseeländer James Cutfield, der am Mittwoch nach Angaben italienischer Medien zwei Stunden von Ermittlern vernommen wurde. Die Staatsanwaltschaft des Ortes Termini Imerese ermittelt wegen des Delikts des „fahrlässigen Schiffsbruchs“. Die Ermittlungen, an der auch Beamte der britischen Marine-Aufklärungseinheit Mari beteiligt sind, richten sich bisher gegen Unbekannt.

Taucher lokalisierten Leiche von Hannah Lynch

Die „Bayesian“ war am Montag gegen 5 Uhr früh in Folge eines Tornados vor Porticello bei Palermo gesunken. Experten erkennen eine ganze Reihe von Fehlern in der Reaktion auf das Unwetter, für die vor allem der Kapitän verantwortlich gemacht werden könnte. Sieben Menschen starben bei dem Unglück, darunter der britische Technologie-Unternehmer Mike Lynch sowie der Vorstand der Investmentbank Stanley Morgan, Jonathan Bloomer. 15 Personen, darunter Kapitän Cutfield, konnten kurz nach dem Sinken der „Bayesian“ gerettet werden. Am Donnerstag lokalisierten Rettungstaucher die Leiche des mutmaßlich letzten Opfers, Lynchs 18-jähriger Tochter Hannah. Deren Mutter, Lynchs Ehefrau Angela Bacares, die als Eigentümerin der Yacht firmiert, überlebte. 

Unwetter „nicht kommen gesehen“

Aus Ermittlerkreisen war nach Angaben der Zeitung „Corriere della Sera“ gedrungen, Kapitän Cutfield habe bei seiner Vernehmung angegeben, das Unwetter „nicht kommen gesehen“ zu haben. Der Sturm war allerdings in den Wettervorhersagen prognostiziert worden. Fraglich ist also, ob der Kapitän eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen unberücksichtigt ließ, die letztendlich zu der Tragödie geführt haben. Dazu zählt auch eine Besonderheit in der Konstruktion der 2008 gebauten „Bayesian“ mit ihrem 75 Meter und damit überdurchschnittlich hohen Mast. 

Mast und Kiel trugen wohl bei

„Die Wellen sowie der Widerstand des sehr hohen Mastes gegen den Wind könnten zum Kentern des Schiffes beigetragen haben“, zitierte die Zeitung „La Repubblica“ den Segelexperten Andrea Mura. Nach Angaben aus dem Bergungsteam war der mobile Kiel des Schiffes wohl wegen der niedrigen Wasserhöhe in Küstennähe nicht voll auf knapp zehn Meter, sondern nur halb auf rund vier Meter Länge ausgefahren, was den Untergang begünstigt haben könnte. Einig ist man sich, dass das Schiff im Sturm große Mengen von Wasser aufnahm und deshalb sank. 

Jacht-Hersteller sieht „Serie von Fehlern“ der Besatzung

Auch der Geschäftsführer der Luxuswerft Perini Navi, die die „Bayesian“ gebaut hatte, meldete sich zu Wort. Giovanni Costantino sprach im „Corriere della Sera“ von „einer langen Serie von Fehlern“ der Besatzung und wies Konstruktionsfehler im Zusammenhang mit dem intakt gebliebenen hohen Mast zurück. Der Kapitän hätte angesichts des angekündigten Unwetters „die Motoren anwerfen, den Anker lichten, den Bug in Richtung Wind ausrichten und den Kiel herunterlassen“ müssen. Auf diese Weise hätte auch der deutsche Kapitän Karsten Börner mit der neben der „Bayesian“ liegenden „Sir Robert Baden Powell“ reagiert. 

„Hecktüre war sicher offen“

Börner war es, der am Montag 15 Überlebende von einem Rettungsboot aufnahm, darunter auch Kapitän Cutfield. Dessen Bruder bezeichnete diesen im „New Zealand Herald“ als „erfahrenen Seemann“, der seit acht Jahren am Steuer von Luxusjachten tätig war. Costantino mutmaßte hingegen, dass die „Hecktüre sicher offen gewesen“ sei, wodurch Wasser in die 56 Meter lange Yacht gelangt sei. Durch die Inaktivität der Besatzung habe der Sturm das Schiff in 90-Grad-Position zum Wind gedreht, wodurch Wasseraufnahme und Kentern erleichtert wurden. Costantino erwähnte auch den Videoclip einer Kamera an Land, auf der man das Mastlicht der Yacht sieht, das dann im Sturm plötzlich erlischt. Dies lasse auf einen Blackout im Maschinenraum schließen, der durch eingelaufenes Wasser verursacht wurde. „Von dem Moment an, in dem die Jacht Wasser nahm, bis zum Untergang vergingen sechs Minuten“, sagte Costantino.