Die beiden Ziviltechnikerinnen Bettina Dreier und Eva Gyüre plädieren für mehr Frauen in der Führungsebene. Der „Anotherviewture Award“ macht herausragende Planungs- und Architekturarbeiten von Frauen sichtbar.
Vorgestern wurde der Österreichische Frauenpreis für Baukultur vergeben. Auch das europaweite Projekt „YesWePlan!“ beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Situation von Architektinnen und Zivilingenieurinnen. Wie sieht es denn in Österreich mit der Frauenquote in diesen Berufen aus?
Bettina Dreier: Wir sind derzeit mit der Situation konfrontiert, dass etwa die Hälfte der Absolvent:innen des Architekturstudiums weiblich ist, aber nur maximal ein Viertel davon den Weg in die Selbstständigkeit beschreitet. Bei den Ingenieur-Konsulentinnen ist die Anzahl der Frauen noch wesentlich geringer.
Gibt es einen Grund dafür, warum dieses Verhältnis in Österreich schlechter ist als in anderen Ländern?
Eva Gyüre: Wir sind im Rahmen unserer Untersuchungen im Projekt „YesWePlan“ draufgekommen, dass es nur in ehemals kommunistisch geführten Ländern, zum Beispiel in Slowenien, anders ist. Dort ist das Verhältnis wirklich fast 50:50. In den anderen Partnerländern Spanien, Deutschland und Frankreich liegt der Anteil von Frauen in unseren technischen Berufen zwar höher als bei uns, jedoch auch weit unter jenem der Männer. Der Grund, warum es in klassisch konservativ geführten Gesellschaftssystemen weniger Frauen in diesen Berufen gibt, liegt sicher an der Geschlechter-Stereotypie, also der allgemein verbreiteten Meinung, dass Frauen noch immer hinter den Herd gehören.
Gleichzeitig sind aber immerhin 52 Prozent der Architektur-Studierenden weiblich. Woran hapert es da konkret?
Gyüre: Nach der Ausbildung sitzen in den Architektur-Büros genauso viele Frauen. Das Problem ist nur, dass diese Frauen dann oft in der zweiten, dritten Reihe verbleiben und sich nicht für Projektleitungen bewerben und nicht die Ziviltechnikerprüfung machen.
Dreier: Ich glaube, dass unsere konservative Gesellschaft die Frauen daran hindert, in Projektleitungspositionen zu gelangen. Weil Frauen sehr oft Pflegeaufgaben übernehmen – für Kinder oder für ältere Angehörige – und dadurch nicht so viele Arbeitsstunden im Büro verbringen. Männer gehen noch immer seltener in Karenz. Unsere Architekturgesellschaft vertritt nach vor die Meinung, dass du nur ein vollwertiger Architekt oder eine vollwertige Architektin bist, wenn du dich mit Haut und Haaren der Architektur verschreibst.
Gyüre: Dabei wäre ein höherer Frauenanteil auch für die Männer ein Vorteil: Ein großes Manko ist ja die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das betrifft alle Berufsgruppen. Und auch junge Männer sehnen sich vielleicht nach einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance und gehen genauso gerne zu den Kindern nach Hause. Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft in dieser Hinsicht weiterentwickelt und ein bisschen offener wird. Und dass wir dabei mithelfen können diese Geschlechter-Stereotypie aufzubrechen.
Welche Maßnahmen setzt „YesWePlan!“ abgesehen vom oben erwähnten Frauenpreis für Baukultur?
Gyüre: Wir haben schon viele Maßnahmen gesetzt. „YesWePlan!“ ist eine Maßnahme der Sichtbarmachung, da geht es um die Vernetzung und den Austausch. Es ist immer gut über den Tellerrand hinaus zu blicken, um voneinander zu lernen. Des weiteren geht es bei „YesWePlan!“ um Best-Practice-Beispiele. Wir veranstalten zweimal jährlich Ziviltechnikerinnen-Tage und seit 2016 die Wanderausstellung „Ziviltechnikerinnen gestalten Zukunft“, die nicht nur in Graz, Klagenfurt und weiteren Landeshauptstädten, sondern auch schon in Ljubljana, Istanbul und Vaduz zu sehen war.
Dreier: Während der Corona-Zeit ging diese Ausstellung auch digital. Unter anderem auch in der Grazer Herrengasse, im Landhaus, am Jakominiplatz, in Wien am Praterstern. Die einfache Botschaft war, dass hier nur Projekte von Frauen gezeigt wurden.
Was kann man beim Versuch die Situation zu verbessern von anderen Ländern lernen?
Gyüre: Im Rahmen einer Masterarbeit hat eine Soziologin, Anna Resch, jede Menge Interviews zu diesem Thema geführt. Auch im Ausland. Daraus entstand ein ganzer Katalog an Wünschen an die heimische Politik und unsere Berufsvertretung.