Beim Österreich-DKT waren und sind die Grazer Außenbezirke kein Thema. Da rollt der Rubel nur zwischen Joanneumring und Annenstraße. Und letztere ist bekanntlich auch nicht mehr das, was sie in den Siebzigern einmal war. Dafür hatten Gösting oder Eggenberg in den Siebzigern noch starken Vorstadt-Charakter. Und heute erfreuen sich gerade diese Bezirke eines stark steigenden (Immobilien-)Marktwerts. Wir befragen acht Immo-Experten zur aktuellen Wohnungsmarkt-Lage in Graz.
Danke fürs Hiersein. Es wundert mich fast, dass Sie alle kurz vor Semesterbeginn überhaupt Zeit gefunden haben, zu kommen. Ist jetzt nicht gerade die Prime Time für Wohnungssuche in Graz?
Veronika Feldgrill: Ja, klar, jetzt – also gegen Ende der Sommerferien – ist schon die Zeit, wo immer ganz intensiv gesucht wird und viele Interessenten auf einen zukommen.
Und wonach suchen die Interessenten konkret? Oder zuerst allgemeiner gefragt: Welche Parameter sind heute bei der städtischen Wohnungssuche kaufbzw. mietentscheidend?
Martina Haas: Ruhelage ist immer ein Verkaufsargument, aber vor allem in Graz. Sogar in der Innenstadt wünschen sich Kunden sowohl die perfekte Verkehrsanbindung als auch einen ruhigen Innenhof. Bei Studentenwohnungen ist die Ruhelage sicher nicht so wichtig.
Werner Gröbl: Wir haben in der Stadt zwei verschiedene Typen: Für die einen ist die Verkehrsanbindung wichtig, zum Beispiel für Studenten. Für die anderen ist es die Ruhelage. Wir haben uns im Wohnpark Gösting auf letzteren Typ spezialisiert. Der Bezirk Gösting ist der grünste Bezirk. Da ziehen wir Menschen an, die auf gute Luft und eben auf Ruhelage höchsten Wert legen.
Selbiges gilt wohl auch für die traditionell beliebten Wohngegenden wie Ruckerlberg, Rosenhain oder Mariatrost. Da ist wohl auch eher die Ruhelage als die einfache Erreichbarkeit ein Thema ...?
Robert Wurzinger: Das sind eher Einfamilienhausgegenden, und da wird dann schon davon ausgegangen, dass der Pkw zum fast täglichen Einsatz kommt. In diesen Gegenden ist es also kein Muss, dass man die Buslinie direkt vor der Haustüre hat. Und Verkehrsanbindungen gibt es ja dennoch.
Auf dem Land sind Wohnungen und Häuser umso günstiger, je stärker man vom Auto abhängig ist. In Graz also nicht?
Margot Clement: Nein, in der Ragnitz oder am Gedersberg brauchen Familien oft zwei Autos. Die sind trotzdem gefragt.
Und welche Art von Wohnungen sind in Graz derzeit die begehrtesten?
Heidi Mahler: Anlegerwohnungen in guten Lagen und zum Vermieten. Über den Sommer waren eher private Wohnungen gefragt, aber jetzt im Herbst sind die Anleger wieder da.
Was sind die neuen aufstrebenden Bezirke in Graz?
Mahler: Geidorf, Leonhard, St. Peter sind nach wie vor begehrt. Lend und Eggenberg holen stark auf.
Feldgrill: Das rechte Murufer hat Potenzial, auch durch die vielen Bauträger, die hier aktiv werden. Da steigt die Wohn- und Lebensqualität.
Clement: Der Bezirk Lend entlang des Kais entwickelt sich enorm. Da entstehen wirklich architektonische Highlights.
Gröbl: Als wir nach Gösting gekommen sind, waren die Leute skeptisch. Nachdem wir hier 280 Wohnungen verkauft haben – und die sind nicht einmal im Billigsegment –, würde ich schon sagen, dass Gösting auch zu den aufstrebenden Bezirken gehört.
Sind Gegenden mit höherer Migrationsdichte auf dem Immomarkt benachteiligt?
Wolfram Sacherer: Wir als gemeinnütziger Bauträger erleben die Situation vielleicht anders. Eine entsprechende soziale Durchmischung ist für uns wichtig und erforderlich.
Clement: Ich glaube, dass jede Gegend ihre Zielgruppe hat. Einen eingefleischten Geidorfer zieht es wohl eher nicht in den Gries. Aber auch hier gibt es Potenzial. Es ist gut, dass es die unterschiedlichen Möglichkeiten gibt.
Spürt man die FH in der Entwicklung des rechten Murufers?
Sacherer: Die Campuserweiterung spürt man, die Preise in der Gegend steigen an. Da entsteht schon etwas Tolles!
Christian Traussnig: Die Preise in Eggenberg steigen extrem an. Gut geht auch der Villenbereich hinter der Auster.
Szenenwechsel linkes Murufer: Wie sieht es mit Angebot und Nachfrage im Univiertel aus?
Wurzinger: Dort wünscht sich jeder Anleger oder jeder Elternteil eines Studierenden eine Wohnung. Allerdings ist dort kein wirklicher Markt vorhanden, wo etwas zu holen wäre. Im Neubausegment vereinzelt, im Gebrauchtsegment haben wir zwar eine sehr starke Nachfrage, aber ein Defizit an Angeboten, die auf den Markt kommen.
Das heißt, die vorher angesprochene Ruhebelästigung ist in der Unigegend kein Handicap?
Wurzinger: Alle, die dort hinziehen wollen, sind sich ja bewusst, dass das eine belebte Gegend ist.
Gibt es einen Trend zu entweder mehr Miet- oder mehr Eigentumswohnungen?
Haas: Ich denke, der Trend ist bei beiden vorhanden. Das Angebot an Mietwohnungen ist in Graz momentan relativ groß. Familienwohnungen sind gerade verstärkt gefragt.
Clement: Die Vierzimmer-Familienwohnungen standen bei Bauträgern in letzter Zeit weniger im Fokus. Daher ist das Angebot an Familien-Eigentumswohnungen gering und die Nachfrage hoch. Da liegt ein großer Markt in der Zukunft.
Zurück zu Verkaufsargumenten: Wie wichtig ist das Thema Parken bei Verkaufsgesprächen?
Traussnig: Das Thema Parken ist in Graz immer ein Argument. In gewissen Gegenden – etwa in Wetzelsdorf, St. Peter oder Mariatrost – wollen die Kunden vereinzelt sogar zwei Parkplätze haben.
Sacherer: Es findet parallel dazu allerdings auch eine Trendwende Richtung autofreies Wohnen statt. Wie genau die Mieter darauf reagieren, wissen wir noch gar nicht. Ich glaube jedenfalls, dass das Thema Parken beim Wohnungsverkauf bald nicht mehr den Stellenwert haben wird.
Mit welchen Argumenten kann man in Graz noch punkten?
Gröbl: Womit wir im Wohnpark am meisten punkten, sind die großen Terrassenbalkone. Da ist vor allem die Tiefe entscheidend.
Haas: Der Trend geht zu kleineren Grundrissen und zur Leistbarkeit auch in der laufenden Erhaltung.
Mahler: Ja, der Konsument beginnt eindeutig, nachhaltiger zu denken. Er vergleicht mehr, wird kritischer und zieht Betriebskosten oder etwaige Reparaturen stärker mit ins Kalkül.
Werden die Käufer in der Stadt tendenziell jünger?
Mahler: Das glaube ich nicht, nein. Es kommt drauf an ...
Oder gibt es in Graz eine stärkere Nachfrage nach Singlewohnungen als am Land? Weil vielleicht die städtische Scheidungsrate höher ist als die am Land ...?
Mahler: Der Bedarf an Singlewohnungen erklärt sich in Graz eher durch die relativ hohe Zahl der Studierenden.
Gibt es irgendetwas, was Sie sich von der Stadtpolitik wünschen würden, um den Immobilienmarkt weiter und nachhaltiger zu beleben?
Traussnig: In Graz darf man vielerorts nicht höher als drei Geschoße bauen, hier gäbe es Verbesserungspotenzial. Die Bauverfahren gestalten sich teilweise sehr mühsam und verschlingen oft mehr Zeit als das Bauen selbst.
Feldgrill: Ich würde mir mehr Grünbereiche wünschen. Man sieht, wie überbevölkert der Stadtpark und der Augarten im Sommer sind.
Hätten Sie noch einen abschließenden Tipp für Studenten, die sich erst jetzt auf Wohnungssuche begeben?
Feldgrill: Leicht wird es jetzt sicher nicht mehr. Aber auch nicht unmöglich. Man muss halt seine Vorstellungen ein bisschen anpassen, wenn man sich im Spätsommer noch auf Studentenwohnungssuche begibt.