Während die allgemeine Stimmung schön langsam ins Wochenende einbiegt und die Sommerhitze erste Straßenzüge aus ihrem Würgegriff entlässt, entspannt sich einige Meter über dem Getümmel ein Sonnensegel. Der perfekte Ausklang für einen Freitagabend auf einer Dachterrasse der Sonderklasse.
50 Quadratmeter groß und über einen runden, verglasten Stiegenaufgang direkt aus der Wohnung erreichbar, ist die Terrasse mit dem sagenhaften Blick über die Dächer von Graz das neue Refugium von Verena Kubinzky-Papik. Refugium, aber auch Produkt ihrer Hartnäckigkeit. Denn die 39-Jährige investierte Monate und Nerven, um sich diesen Traum mit Aussicht zu erfüllen. „Als ich vor elf Jahren eingezogen bin, habe ich mich unglaublich gefreut. Gefehlt hat mir nur ein Balkon oder eine Terrasse.“ 2018 wurden aus den Träumen schließlich konkrete Pläne, auf das Flachdach des 1892 errichteten Altbauhauses, das sich im Besitz von Verena Kubinzky-Papik und ihrem Vater, dem Grazer Stadthistoriker Karl Albrecht Kubinzky, befindet, eine Art Gaube aufzusetzen. Sechs Monate lang plante sie mit dem Architekten Gerald Deutschmann und dem Bauherrenvertreter Michael Kaiser, der mit vollem Einsatz dafür sorgte, dass der Umbau möglich wurde, bevor das erste Konzept für die Grazer Altstadtsachverständigenkommission stand.
Zylindrischer Aufstieg
„Wir konnten alte Fotos vorlegen, die beweisen, dass es schon einmal eine Kuppel gab, das Dach also das Gewicht tragen kann. Das Haus wurde nämlich im Zweiten Weltkrieg von einer Bombe getroffen“, erklärt die Kommunikationsexpertin das Foto, das das Gebäude vor dem Angriff zeigt. Das Bild sei zwar ein gutes Argument, so die Kommission, doch der Entwurf überzeugte noch nicht. „Es sollte alles rund sein, damit es ergonomisch zum Haus passt. Auch das Aufstiegshäuschen, dann wäre es in Ordnung“, erinnert sich die Hausherrin zurück. So entstanden die Wendeltreppe und der verglaste, zylindrische Aufstieg, die schon das Emporsteigen zu einem Abenteuer machen. Das Trio versuchte es ein zweites und drittes Mal, bis es 2019 grünes Licht bekam. Im August 2020 wurde die Terrasse, nach langer Suche nach einer Baufirma, die sich das anspruchsvolle Projekt in Sachen Statik und Logistik zutraute, fertiggestellt. Immerhin befand sich ein Kran auf dem Dach und das Haus selbst musste eingerüstet werden.
Rosa Sonnenuntergänge
Der Tisch ist höhenverstellbar, es gibt WLAN und vier Steckdosen, sodass man auf der Terrasse auch arbeiten kann – vorausgesetzt, die Aussicht lenkt nicht zu sehr ab. „Besonders wichtig war auch, dass die Terrasse etwas zurückversetzt auf dem Dach liegt, damit man sie von der Straße aus nicht sehen kann“, sagt Kubinzky-Papik an das Glasgeländer gelehnt, mit Blick auf die leer gefegten Büros. Feierabendstimmung. Am schönsten seien die rosa Sonnenuntergänge über der Murmetropole.
Weiß, Beige und farbige Akzente
Aber nicht nur die Dachterrasse, sondern auch die 250 Quadratmeter große Wohnung der 39-Jährigen überzeugt mit zeitloser Eleganz. Vor Kubinzky-Papiks Einzug vor zehn Jahren wurden die Räume als Rechtsanwaltskanzlei genutzt, erzählt sie beim Rundgang durch die Wohnung, die durch eine Raumhöhe von 4,20 Metern noch an Imposanz gewinnt. „Ich mache diese Wohnstory ja auch, damit jeder sieht, dass ich nicht so unordentlich bin wie mein Vater“, sagt sie und lacht. Ist doch vielen das Bild des namhaften Historikers in seinem Büro ein Begriff. Kreatives Chaos sucht man hier aber vergeblich. Sowohl in der Küche samt Esszimmer, als auch im Wohnzimmer setzt die Wohnungsbesitzerin auf die Kombination aus Weiß und Beige. „Ich wollte einen Grundstil, der sich durchzieht.“ Für farbige Akzente sorgen Gemälde ausgewählter Künstler, im Wohnzimmer ein abstrakter Spiegel oder im Eingangsbereich ein Regal mit Fotos und Urlaubserinnerungen. „Viele sagen, es sieht hier aus wie in einem Hotel und dass sie sich nicht vorstellen können, so zu wohnen. Aber wenn sie im Hotel sind, denken sich dann alle: schön!“