In der Feldbacher Kunsthalle hat Karl Karner ein üppiges Kunstbiotop eingerichtet, Aluminiumgewächse und Wasserlinsen inklusive. Unweit davon, in Raabau, lebt der Künstler in einem nicht minder üppigen Umfeld. Rund um das Atelierwohnhaus, das Karner in mehreren Etappen unmittelbar an das Haus, in dem er aufgewachsen ist und in dem seine Mutter wohnt, angebaut hat, wuchert Grün in unterschiedlichsten Formen und Farbschattierungen. Auch die Gebäude selbst sind zu einem beträchtlichen Teil grün umhüllt, über ganze Wände hat sich wilder Wein ausgebreitet: „Manchmal muss man halt eines der Fenster freischneiden.“ Aber insgesamt sei der Wildwuchs eine Win-win-win-Situation für Mensch, Flora und Fauna.
Freigeschnitten hat der Künstler auch Wege im dichten Bambusdschungel, der sich auf einem Teil des Grundstücks ausgebreitet hat und weiter ausbreitet. Die besorgten Blicke und Fragen von Besuchern kennt Karner zur Genüge, bleibt aber gelassen. Freilich: „So viele Bambussprossen, wie es hier gibt, kann man gar nicht essen.“
Im faszinierenden Labyrinth stößt man immer wieder auf die Arbeiten des gelernten Kunstgießers, der an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Heimo Zobernig studiert hat. Und es sollen mehr werden. Karner schwebt ein Skulpturengarten vor, in dem Kunst und Natur auf vielfältige Weise verschmelzen. Eine Kunst, die ihrerseits immer wieder auf Versatzstücke aus der Natur zurückgreift.
Das erste Atelierhaus, das der Oststeirer mit etwas über zwanzig Jahren selbst geplant hat, ist ein offener Kubus mit zwei Ebenen. Im Erdgeschoß wurde gearbeitet, mittlerweile ist es eher ein Raum der Repräsentation. Für die aufwendige Herstellung und Bearbeitung seiner Objekte hat Karner gemeinsam mit Künstlerfreunden eine ehemalige Tischlerei in der Nähe angemietet.
Über der ebenerdigen Halle liegt der über eine Treppe erreichbare luftig-transparente Wohnbereich mit einem gläsernen Badezimmer. Und jeder Menge origineller Möbel. Unter anderem Sessel, die mit Kopien von Liebesbriefen Franz Wests überzogen sind.
Weil Karners Kunst Platz braucht, war ein weiterer Ausbau unvermeidbar. Auch er ist natürlich längst mit Kunstwerken gut gefüllt, das Dach der zweiten Halle dient außerdem als Terrasse mit Blick auf den großzügig angelegten Teich und eine Saunahütte, die auch als Gästezimmer funktioniert. Für befreundete Künstlerinnen und Künstler etwa, die derzeit an der an zwölf Orten in der Oststeiermark und im Burgenland stattfindenden Veranstaltungsreihe „Hochsommer“ teilnehmen, deren Motor Karner zudem ist und die heuer unter dem Motto „About Natural Limits“ steht.
Wie in seiner künstlerischen Arbeit interessiert auch den „Architekten“ Karner das Zusammenspiel von Ordnung und Zufall, die Bedeutung und das Wesen des „Unperfekten“, Unregulierten. Nicht zuletzt geht es um die Frage, wo Grenzen notwendig sind und wo sie Entwicklungen verhindern und deshalb überschritten bzw. abgebaut werden dürfen und müssen.
Nicht nur in seinen skulpturalen Werken erlaubt es Karner den Formen, in vielen Verästelungen auszublühen, auch Grafiken, Gemälde und Performances sind von einer Vitalität geprägt, die Anhänger von, sagen wir, Breitbandherbiziden und Rasenrobotern vermutlich beunruhigen, vielleicht sogar ängstigen.
Die von Karner geschaffenen Innen- und Außenräume haben gemeinsam, dass in ihnen Grenzen – etwa zwischen Privatleben und Beruf oder kultivierter und „wilder“ Natur – weitgehend nicht existieren. Was nicht bedeutet, dass die Räume keine Strukturen haben. Sie ergeben sich jeweils aus aktuellen Notwendigkeiten, können jederzeit neuen Notwendigkeiten angepasst werden. Diesbezüglich könnte ein berühmtes Diktum auch vom Kunst-Gießer Karl Karner stammen: „Alles fließt.“
Walter Titz