Riesige Vitrinenschränke voller Bücher bedeckten die Wände vom Boden bis zum Plafond. Nicht nur in diesem Raum, auch im Zimmer nebenan. Er führte mich durch das ganze Appartement und ich entdeckte in jedem Raum immer neue Vitrinen, bis zum Rand gefüllt mit Büchersammlungen, in den Fluren gewaltige Schwenkregale mit Nachschlagewerken und mit Vinylschallplatten vollgestopfte Schränke, Bücher im Bad, Bücher in der Toilette, Bücher in der Küche, Bücher in den hinteren Zimmern.“ Carlos María Domínguez, argentinischer Autor des Jahrgangs 1955, hat diesen Absatz seiner wunderbaren Erzählung „Das Papierhaus“ nachweislich nicht über ein Grazer Reihenhaus geschrieben. Das Haus, das Peter N. Gruber, österreichischer Komponist und Musiker des Jahrgangs 1956, allerdings so eingerichtet hat, dass es obiger Beschreibung perfekt entspricht.
Grubers Haus-Bibliothek bzw. sein Bibliotheks-Haus belegt das enzyklopädische Interesse des promovierten Kunsthistorikers und Philosophen. Die österreichische Literatur nimmt in den vom Sammler selbst entworfenen Vitrinen einen gewichtigen Platz ein. Eine Gesamtausgabe reiht sich hier an die nächste. Aber auch Literatur aus anderen Weltgegenden sowie der Kultur- und Kunstgeschichte ist im Wortsinn breiter Raum gegeben.
Beim Rundgang erläutert Gruber, wo er die nächsten Bücherschränke geplant hat. In ihnen soll Platz finden, was jetzt noch in den Schachteln verpackt ist, die hier und dort übereinandergestapelt sind. Und ergänzt mit Seufzen, es sei irgendwie ein Fass ohne Boden. Seien ein paar der Schachteln geleert, seien schon wieder andere, volle da. Der Keller sei erfreulicherweise trocken.
Ein Klavier, etliche Bassgitarren und Kontrabässe sind Hinweise auf die eigentliche Profession des Bücherliebhabers – die Musik. Gruber war ein Dutzend Jahre Bassist der österreichischen Band Opus und ist Mitautor von „Live Is Life“. Die Tantiemen der Opus-Songs, speziell natürlich jene des genannten Welthits, sind nach wie vor keine mindere Einnahmequelle: „Für diesen Luxus bin ich sehr dankbar.“ Er ermöglicht Gruber die Verwirklichung seiner musikalischen Ideen und deren Veröffentlichung auf dem eigenen Label „doublebass records“. Ohne kommerzielle Zwänge.
„“ heißt ein soeben erschienenes Album. Fünfzehn Stücke von jeweils sehr eigenem Charakter fügen sich darauf zu einem runden Ganzen. Eingespielt mit Musikerkollegen wie dem Saxofonisten Patrick Dunst und dem kürzlich unerwartet verstorbenen Gitarristen Andy Manndorff. „“ ist für Gruber der letzte Teil einer Trilogie. „fis“ (2000) und „Die Lilie“ (2001) heißen die Vorgänger, an denen unter anderem Otto Lechner, Ismail Barrios und Ewald Oberleitner mitwirkten. Mit Lechner und dem slowenischen Dichter Ales Steger realisierte Gruber 2005 das Poesie-Musik-Projekt „Kamen“. Großes Lob gab es auch 2012 für „Ein ferner Garten“, eine subtile Suite für Streichquartett.
Zurück zu Grubers Passion für das Gedruckte. In den Regalen einer schlichten Holzhütte im kleinen Garten ist (gleich neben dem Abteil für Gartengeräte) Grubers Sammlung diverser Printmedien untergebracht. Fein säuberlich in Kartons archiviert, lagert hier ein beachtliches Stück Zeit(ungs)geschichte. Der amerikanische Autor Nicholson Baker kommt einem in den Sinn. Er hat für seine Kollektionen diverser Zeitungen und Zeitschriften mehrere Hallen angemietet. An solches denkt Peter N. Gruber nicht. Noch nicht.
Walter Titz