Hinter welchem Fenster würde ich „wohnen“ wollen? Am liebsten hinter einem der gelben. Gelb sind nur wenige, fünf vielleicht. Meine letzte Adresse läge dann in einer sanften Rundung einer anthrazitfarbenen Wand. Wenn die Sonne auf den Asphaltweg vor meinem „Fenster“ schiene, würde der Lavendelduft zu mir heraufziehen. Und Kinder würden auf ihren Scootern vorbeirollen.
"Wohnungssuche für danach". Gedanken wie diese hat man vor Urnenwänden oder auf Friedhöfen generell nicht alle Tage. Urnenwände alten Stils erinnern oft unangenehm an Ablagesysteme. Militärisch organisiert in Reih und Glied, fast schon industriell. Sie beklemmen eher, als dass sie zur hoffnungsvollen „Wohnungssuche für danach“ einladen.
Fließende Formen. In dem Urnenpark, der 2016 hinter der Kirche am Zentralfriedhof in Graz auf einer halbkreisförmigen Fläche errichtet wurde, ist das anders. Die Offenheit und Helligkeit, die fließenden Formen und die wunderschönen Farben vermögen, dem Tod einen Teil seines Schreckens zu nehmen.
Licht- und Schattenspiele. Mit Gernot Ritter und Veronika Hofrichter-Ritter hat er die richtigen Architekten für die Umsetzung gefunden. Beim Spaziergang durch den Urnenpark verweist er auf die fließenden Formen, die gebogenen Wände, die aus Sichtbetonschalen bestehen. Auf die unregelmäßige Anordnung der „Fenster“, die historische Schmelzglasplatten aus dem Stift Schlierbach sind und schönste Licht- und Schattenspiele vollführen.
Roswitha Jauk