Wenn Architekt Anton Oitzinger heute über sein Wohnprojekt nachdenkt, fällt ihm als Erstes der Film „Hinterholz 8“ von Roland Düringer ein. „Alles war vollgeräumt, die Böden waren herausgerissen, einen Kamin konnte ich mit dem Fuß umstoßen“, erinnert er sich. Abschrecken ließ er sich davon nicht, und hat gemeinsam mit seiner Frau Margarethe, ebenfalls Architektin, das Abenteuer, ein Uraltbauernhaus in eine behagliche Wohnstätte für die Familie umzufunktionieren, in Angriff genommen.
„Düringer hat in seinem Film ja alles falsch gemacht, was man beim Umbau eines alten Hauses nur falsch machen kann“, sagt Oitzinger. Das Wichtigste: Es bedarf einer professionellen Planung, denn dass eine Sanierung teurer sei als ein Neubau, stimme so nicht. Wenn man es klug mache, sei man mit 800 Euro pro Quadratmeter dabei. „Eine alte Bausubstanz ist nicht per se schlecht. Man sollte sich das schon trauen.“ Ein intensiver Prozess, der aber durchaus seine Reize hat, wie Margarethe erklärt: „Eine gewisse Liebe zur Improvisation ist dabei Voraussetzung, denn man muss auf die alte Substanz reagieren. Das macht es aber auch spannend, weil daraus oft die besten Lösungen entstehen.“
Kennengelernt haben sich der Kärntner und die Steirerin beim Architekturstudium in Graz, mittlerweile haben sie drei Kinder - Anton (16), Luis (9) und Lorenz (6). Beruflich hat es die Familie nach Kärnten in die Landeshauptstadt verschlagen, und dann ist Anton dieser Bauernhof oberhalb von Bleiburg als Erbteil zugefallen. „Wir haben es zuerst nur als Wochenendhaus angedacht, aber dann hat uns das Leben am Land schon gereizt.“
Das Abenteuer beginnt
2006 haben sie also begonnen, hier - Am Kömmel - Hand anzulegen. 2009 war dann das Erdgeschoß so weit umgebaut, dass die Familie einziehen und die Wohnung in Klagenfurt aufgeben konnte.
Aber kurz zurück zur Erbhofstelle, denn die ist schon etwas ganz Spezielles, nicht nur wegen der Aussicht, von der später noch die Rede sein wird. Das Datum 1737 ist in einem Holztram in der jetzigen Wohnstube zu lesen, das Haus selbst sei aber bestimmt schon 200 Jahre älter, sagt Oitzinger. Der Beweis: Ein aus Schiefer und Hartgneis gemauerter Keller. „Denn das war immer das Erste, was gebaut wurde, um Vorräte lagern zu können.“ Ein Schmuckstück ist auch der alte Kachelofen, der es in der Stube so gemütlich macht. Die Kacheln ziert ein Schwanenmotiv, dessen Ursprung die Oitzingers in Böhmen vermuten und das so gar nicht typisch bäuerlich ist. Beheizbar ist der Ofen mit zwei Meter langen Holzscheiten vom Vorraum aus und er wird gerne zum Pizza- oder Brotbacken verwendet. Oder auch für Kärntner Reindling. „Von denen kann man zwischen 20 und 25 gleichzeitig backen“, verrät Margarethe.
Der Charakter eines alten Hauses
Dass man sich bei einem alten Haus nicht unbedingt auf rechte Winkel verlassen kann, wurde etwa beim Einpassen der Eckbank in der Stube bemerkt. „Von einer Wand zur anderen ergibt sich hier ein Unterschied von fast einem halben Meter.“ Womit wir wieder bei der Improvisationsfähigkeit wären. „Laut Feng-Shui ist ein stumpfes Eck für den Energiefluss sogar besser als ein rechter Winkel“, sagt Margarethe. Ist die schiefe Mauer also gar kein Zufall oder ungenaues Handwerk, sondern beabsichtigtes Urbauern-Feng-Shui? Auch das ein Vorteil alter Häuser: Sie liefern viel Stoff zum Nachdenken.
Im Erdgeschoß wurde eine Mauer durchgebrochen und ein Wintergarten geschaffen, der mit einem unglaublichen Weitblick aufwarten kann. „Von hier aus kann man an schönen Tagen bis ins Gailtal sehen“, sagt Anton. Das wären rund 150 Kilometer freie Sicht. Und schöne Tage gibt es hier viele, denn Am Kömmel liegt man knapp über der Nebelgrenze. Und knapp am Abhang. Der slowenische Name „Brdnik“ bedeutet so viel wie „vorspringende Anhöhe“ und wird seinem Namen auch gerecht. Die Innenräume wurden mit Lehm verputzt, der aus der Umgebung stammt und der in seinem Naturzustand belassen wurde. Eine Treppe führt in das Obergeschoß des Bauernhauses, das nach und nach ausgebaut wurde. Schlafzimmer, großer Relax-Bereich und Badezimmer. Ganz fertig ist es noch nicht, aber damit haben die beiden Architekten kein Problem. „Wir sehen das Ganze als Lebensprojekt, das wir mit sehr viel Liebe gestalten.“
Ein zweites Standbein haben die Oitzingers sich mit dem Bau von vier Ferienwohnungen im ehemaligen Stadl - oder was von ihm nach einem Brand übrig geblieben ist -, geschaffen. Allesamt ausgestattet mit Küche, Wohn- und Badezimmer. Fernseher gibt es auch, aber den benötigt man nicht wirklich: Wie gesagt, 150 Kilometer Fernsicht und rundherum nur Natur, wovon zwei Hektar Land mit Streuobstwiesen, auf denen sich 14 alpine Steinschafe tummeln, an den Hof angrenzen.
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Harald Schwinger