Als Wolfgang Grebien und seine Frau Ilse das Gründerzeithaus in zentraler Grazer Lage 1986 erwarben, bot es den Komfort, der 1933, bei seiner letzten Sanierung durch die Vorbesitzerin, Standard war. Neben einer neuen Heizung und der Sanierung der alten Kastenfenster war also auch eine Modernisierung der Badezimmer und die Vergrößerung der Küchen in allen fünf Wohnungen nötig. Dass die Zeit im Haus der Grebiens davor so lange stillgestanden hatte, war aus Sicht des Bauherrn allerdings durchaus ein Glück: Dadurch konnten die alten Parkettböden, die originalen, dunkel lasierten Doppel-Flügeltüren und sogar die mittlerweile rund 130 Jahre alten Kachelöfen bis heute erhalten bleiben. Ein Glücksfall waren für Grebien auch Ausstattungsdetails wie der alte Tischherd in der eigenen Küche, von dem sich der Hausherr nie trennen würde.
So respektvoll mit der alten Substanz im Inneren des Hauses umgegangen wurde, so behutsam fand in den vergangenen 30 Jahren auch die Umgestaltung des etwa 270 Quadratmeter großen Gartens hinter dem Haus statt. Wo in den 1980ern noch Fichten und Obstbäume wucherten, gibt es heute einen idyllischen, (see)rosenumrankten Naturschwimmteich mit schattigen Sitzplätzen – und ganz im Grünen versteckt noch ein kleines Baumhaus für die Enkelkinder. Letzteres hat der Hausherr, wie auch einiges Mobiliar im Haus, aus altem Holz und Treibgut zusammengebaut – darunter zahlreiche Fundstücke aus Urlauben in Dalmatien.
Was fehlte, war der Logenplatz
Der einzige Wermutstropfen in diesem grünen Paradies: Von der Wohnung aus ließ es sich vor ein paar Jahren noch nur über einen kleinen Wirtschaftsbalkon genießen.
Dieses Defizit stach dem Grazer Architekten Siegfried Frank, der das Haus noch aus seiner Studentenzeit als Mieter kannte, schon lange ins Auge. „Wenn du da einmal eine Lösung brauchst: Ich hätte da eine Idee“, sagte er zu Grebien. 2010 war die Zeit wohl reif dafür.
Frank setzte hier seine Vision eines Stadtbalkons um, der unter Bedachtnahme auf die bestehende Struktur alte Wirtschaftsbalkone in Gründerzeitbauten erweitert. Die Originalbalkonplatte blieb dabei erhalten. Die neue Stahlträgerkonstruktion für eine Verdoppelung der Balkonfläche auf knapp sieben Quadratmeter dockt auf eine Art und Weise an den Bestand an, die glauben macht, dieser Balkon habe schon immer so ausgesehen. Auch das neue Geländer nimmt die Formsprache des Vorgängermodells auf. Sogar neue Wäschestangen wurden wieder eingebaut.
Das 2,6 mal 2,6 Meter große Glück
„Die Breite des neuen Balkons ergab sich aus dem Bestand, bei der Tiefe kam es darauf an, den Charakter der alten Fassade zu bewahren“, sagt Frank, der sich mittlerweile seit 18 Jahren mit Altbauprojekten beschäftigt. Dass sich eine Konstruktion wie diese wirtschaftlich besser rechnet, wenn mehr als ein einziger Balkon erweitert wird, liegt auf der Hand. Der Hausherr entschloss sich folgerichtig für zwei Balkontürme mit je drei Etagen, die alle Wohnungen im Haus mit Logenplätzen hin zum Garten versehen. Das Naturschauspiel kann sich schließlich sehen lassen.