Die kleine Landwirtschaft in Frohnleiten, nördlich von Graz, ist seit rund 140 Jahren im Besitz ihrer Familie: "Hier ist meine Mutter gemeinsam mit ihren vier Geschwistern aufgewachsen", erzählt Charlotte Unger. Schon als Kind habe sie fast alle Wochenenden und die Ferien auf dem Hof der Großeltern verbracht. Das an die Felswand geduckte Bauernhaus mit dem Stall und Heustadel daneben, die alten Obstbäume, der üppige Gemüsegarten, Wald und Wiese seien für sie schon immer einfach "das Schönste" gewesen. "Gelt, Omi, da darf ich schon einmal wohnen?", habe sie ihre Großmutter schon als kleines Kind gefragt.
Die Liebe und das Leben verschlugen Unger dann zwar zunächst einmal nach Linz und den Hof übernahm Ungers Onkel - "aber an den Wochenenden sind mein Mann und ich regelmäßig und sehr gern nach Frohnleiten gekommen", erzählt die Bauherrin.
Die Idee, den Stadel zum Wohnraum aus- und umzubauen, um auf dem Hof einen ganz persönlichen Rückzugsort zu haben, hatte sie schon lange. Wie das Leben so spielt, kam Unger aber immer wieder etwas dazwischen - bis sie 2014 tatsächlich Nägel mit Köpfen machte.
Der "loftartige Wohn- und Schlafbereich" auf dem Heuboden war dabei von Anfang an mehr als eine vage Idee in ihrem Kopf. Unger hatte von ihrem neuen Domizil auch ohne fremde Hilfe bald einen genauen Plan: "Ich beschäftige mich schon ein Leben lang mit dem Bauen und Einrichten. Als Kind wäre ich überhaupt am liebsten Architektin geworden", erklärt sie ihr gutes räumliches Vorstellungsvermögen und das besondere Gespür für Formen und Proportionen.
Aus dem Stallgebäude sollte keinesfalls eine kitschige Almhütte oder ein Jagdhaus werden, sondern etwas "Gediegenes" aus altem, wiederverwerteten Holz. "Ich habe jahrelang aus Zeitschriften und dem Internet Bilder von Projekten zusammengetragen, die mir gefallen", beschreibt sie ihre Vorgangsweise.
Mit dem Frohnleitner Tischler Josef Konrad fand Unger den idealen Partner für die Umsetzung des Projekts, bei dem zunächst einmal der alte Heuboden Balken für Balken und Brett für Brett abgetragen wurde. Mit diesem Material wurde den massiven Grundmauern ein neues Wohngeschoß aufgesetzt, das mit seinen Proportionen und der Lärchenholzfassade durchaus den Vorgängerbau zitiert, mit den großzügigen Gaubenfenstern und der verglasten Giebelfront vor dem Balkon aber ein Maximum an Licht und Landschaft ins Haus holt.
Die Fenster im Haus sind allesamt bodentief. Konrad ließ sich eine transparente, vertikale Lärchenlattung als Absturzsicherung und Sichtschutz einfallen, die beim turmartigen Zubau, der Stiegenhaus, Bad und Schlafzimmer beherbergt, generell zur Fassade wird. "An dieser Stelle stand vorher der Futtersilo, den wir weggerissen haben", erklärt Unger im Entree, warum man hier ganz bewusst auf einen Kontrast zum alten Satteldachhaus gesetzt hat.
Innen prägt das sichtbare Gebälk aus uraltem Holz das Erscheinungsbild. Eichendielen für den Boden und Holzfenster sorgen für Gemütlichkeit. Das schönste Kompliment zum Umbau waren für Unger wohl die Worte ihres mittlerweile verstorbenen Onkels: ",Da hast du etwas wirklich Tolles gemacht!', hat er zu mir gesagt, während er hier am Sofa saß und einfach nur die Aussicht ins Grüne genoss."
Der Onkel wäre wohl auch heute stolz auf seine Nichte, wenn er sehen könnte, wie sie langsam das alte Bauernhaus renoviert. Außen wurde es mit einer Holzfassade dem Stadel angepasst. Innen ist ein neuer Tischherd das Glanzstück der soeben runderneuerten Küche. "So einen wollte ich schon immer haben", erzählt die Bauherrin.