Ein Burgenländer und eine Steirerin, die sich in den 1980ern in Papua Neuguinea kennen und lieben lernen, von ihren vielen Reisen durch die ganze Welt Samen von exotischen Pflanzen mit nach Hause bringen und sie im Nutzgarten der Großmutter in Graz aufgehen lassen. Das klingt nach einer spannenden Geschichte – am besten lässt man sie sich von Ernst und Ingrid Zerche am Rand ihres Lotosteiches in Graz-St. Peter erzählen.
Der Garten des diplomierten Pastoralassistenten und Fotografen, der beruflich zahlreiche Entwicklungshilfeprojekte vor allem in Afrika und Asien dokumentiert und fotografiert hat, und der ehemaligen Sozialpädagogin ist ein über drei Jahrzehnte gewachsener, in dem jedes noch so unscheinbare Detail seine eigene Geschichte hat. Hier gibt es keinen Stein, den die Zerches nicht schon mindestens einmal selbst in der Hand hatten, wie es Frau Zerche formuliert. Egal ob Biotop, Bachläufe, Wege, Brücken, oder „Willkommenstor“: alles selbst gemacht. Und man ahnt es schon: Von den mittlerweile mächtigen Baum-Exoten sind viele selbst gezogen.
„Ein erwachsener Garten, wie unserer jetzt, ist viel schwieriger als ein junger Garten“, sagt der Hausherr. Weil alles größer wird und sich die Proportionen mit der Zeit so stark verändern – „so weit voraus kann beim Anpflanzen niemand denken“. Jetzt gehe es darum, die Balance zu halten, mit den eigenen Eingriffen in die Natur keine Verstümmelung anzurichten. Für ein harmonisches Miteinander von gelber Magnolie („als wir sie gesetzt haben, war sie noch eine absolute Rarität“), Blauglockenbaum („den besonders schnell wachsenden Baum haben wir gesetzt, damit er den Mast da hinten verdeckt“), Ficus Religiosa („der heilige Baum aus Myanmar“), Urweltbaum („1990 zur Geburt unseres Sohnes gesetzt“), chinesischer Tempelkiefer, Zimtahorn, Kaschmir-Zypresse, Spießtanne aus Burma, Taschentuchbaum, Schnee-Eukalyptus und unterschiedlichsten Ingwerarten mit ihren zarten Blüten – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dabei war das alles so gar nicht der Plan oder sagen wir besser: Der Plan kam erst spät dazu.
Die meiste Zeit war das etwa 1200 Quadratmeter große Grundstück, auf dem Ingrid Zerches Großeltern im Jahr 1939 mühsam selbst ihr Haus gebaut haben, einfach nur nützlich. „Der Garten hat mit Obst und Gemüse, Hühnern und Hasen die Familie ernährt“, erzählt die Hausherrin.
Als sie 1988 gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter (in Neuguinea geboren) hier einzog und 1990 ihr Sohn zur Welt kam, wurde hier weiter eifrig Gemüse angebaut – neben Blumenwiese, Baumhaus, Sandkiste & Co. Erst in den 1990ern, als die Kinder größer wurden, habe man begonnen, da und dort Blumeninseln anzulegen. „Einen Plan haben wir um das Jahr 2000 herum das allererste Mal gemacht, als die Bäume langsam groß genug waren, um richtig Schatten zu spenden“, erzählt der Hausherr. Erst da habe man den Reiz des Schattengartens an der Hinterseite des Hauses erkannt, „vorher haben wir nach vorne hin gelebt, dort wo jetzt der Gemüsegarten ist“, sagt die Hausherrin.
Die Geisteshaltung des Wabi-Sabi
Eine kreative Ader habe ihr Mann immer schon gehabt und mit den Mußestunden im Schattenbereich sei allmählich die ganz konkrete Idee für den „Garten des Fotografen“, wie Ernst Zerche ihn nennt, entstanden. Der Name sagt schon viel über das besondere Auge für Details, das der Gärtner und Planer hat: „Wer das Außerordentliche sehen will, muss auf das blicken, was die anderen nicht beachten“, zitiert er Laotse. Wobei wir schon bei der Philosophie sind, die in diesem Garten steckt. Das grüne Wohnzimmer der Zerches ist von Asien geprägt, „atmet die japanische Geisteshaltung des Wabi-Sabi – die Schönheit des Unscheinbaren und die Vergänglichkeit in der Natur“, wie die Zerches sagen. Hinduistische Gottheiten auf Steintafeln, eine Buddhafigur – alles keine Antiquitäten, teilweise aber selbst aus fernen Ländern importiert: Das alles hat hier Platz.
Wie das mit einer tiefen christlichen Prägung zusammenpasst? „Andere Religionen sind faszinierend. Es geht mir um das Sinnliche in der Religion, um Kulte und Rituale, um die Volksreligiosität, die man erst verstehen lernt, wenn man länger in diesen Ländern lebt.“ Und wenn man auch am „anderen Ende der Welt“ täglich mit ihnen verbunden bleibt – über Pflanzen, die alle an Orte erinnern, an denen man einmal war, an Menschen, die einem einmal die Hand gereicht und ihr Herz geöffnet haben.
Zeit genug für die Anpassung
Dass die Exoten bei den Zerches so gut gedeihen, mag damit zu tun haben, dass heuer hierzulande fast schon tropische Bedingungen herrschen und Starkfröste immer seltener werden. Ein zweiter guter Grund mag sein: „Wenn man die Pflanzen selbst zieht, haben sie eine bessere Chance, sich den klimatischen Bedingungen anzupassen“, sagt der Hausherr. Wie das geht, lässt man sich aber am besten von ihm persönlich erzählen: bei einem Besuch im „Garten des Fotografen“.