Schon immer haben Bäume eine besondere Faszination auf den Menschen ausgeübt. Sie waren Sitz der Götter, unter ihnen wurde Gericht gehalten, sie galten als Symbol für Kraft und Leben und ganz profan boten sie Schutz, lieferten Nahrung, Bau- und Brennholz. Ihre Bedeutung ist so vielschichtig wie ihre Jahresringe.
Kein Dichter und Denker, der sich nicht von den mythischen Zauberwelten fesseln ließ. „Der Baum ist jene Macht, die sich langsam mit dem Himmel vermählt“, ist bei Antoine de Saint-Exupéry nachzulesen. Und der Zisterziensermönch und Mystiker Bernhard von Clairvaux prophezeite: „Du wirst mehr in den Wäldern finden als in den Büchern.“
Peter Wohlleben hat beides vereint. Der berühmteste Förster von Deutschland, der gerne durch den jahrhundertealten Buchenwald der Eifelgemeinde Hümmel stapft und an der Rückkehr des Urwaldes arbeitet, hat 2015 mit seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ aus dem Stand die Spitze der Spiegel-Jahresbestsellerliste erobert und sich auch 2016 einen Stockerlplatz gesichert.
Zu gut Neudeutsch: Der Hype ist noch lange nicht zu Ende und aus dem Bestseller längst ein Longseller geworden.
Die Geschichte von kuschelnden Bäumen, die miteinander vortrefflich kommunizieren und ihre Baumkinder zuweilen mit strenger Hand erziehen, will sich mittlerweile die Leserschaft in mehr als 25 Ländern, darunter USA, Kanada, China, Brasilien oder Australien, nicht entgehen lassen.
„Mit diesem Erfolg habe ich nie gerechnet“, gesteht der Autor, zumal etliche Verlage seinem Manuskript eine harsche Abfuhr erteilten. Aus heutiger Sicht eindeutig eine Fehlentscheidung. Es muss wohl der Aha-Effekt sein, vermutet der Baumflüsterer: „Wow, was Bäume alles können – und das aus der Praxis einfach erklärt und trotzdem wissenschaftlich belegt.“
30 Jahre nach dem großen Waldsterben gibt der Autor mit seiner Liebeserklärung an den Wald, wie es der Klappentext verheißt, Einblick in das „wood wide web“. Er erzählt von dem funktionierenden gesellschaftlichen Gefüge, in dem den Schwächeren geholfen wird, und schildert das ausgeklügelte System der „Superhelden der Entschleunigung“.
Und wenn Waldmann Wohlleben berichtet, wie die gemeinsame Abwehrmaschinerie der Bäume anläuft, wenn sich gefräßige Feinde über einen Artgenossen hermachen, oder wenn er von der Zitterpappel erzählt, diesem Ungetüm, das sich mit einem einzigen Exemplar über Hunderttausende Quadratmeter ausbreiten kann, dann ist das ganz großes Naturschauspiel.
Solche Publikationen hätten einen doppelten Blick, ist Literaturkritiker Jörg Magenau überzeugt: Neben dem wissenschaftlichen Ansatz gebe es auch ein kindliches Staunen über die Natur.
Also, nichts wie hinaus, ein Waldspaziergang kann Wunder wirken. Und danach die Baum-auswahl für den eigenen Garten in Angriff nehmen.