Gummistiefel passen nun mal nicht ins Handgepäck. Deshalb sind wir auch sofort enttarnt, als wir damit an den Füßen ungeschickt am Bahnhof von Gillingham aus dem Zug plumpsen.
Ehrensache
"Sie müssen die Österreicher sein", ruft es fröhlich aus einem Minibus. "Alles einsteigen, bitte!" Dieser Willkommensgruß gehört zu National-Trust-Mitarbeiter Raymond, der die bunte Truppe Freiwilliger, die sich im Garten von Lytes Cary Manor die Hände schmutzig machen möchten, betreuen wird. Ehrenamtliches Arbeiten ist in England Ehrensache: "Zwei Wochen pro Jahr helfe ich beim National Trust, zu Hause jede Woche in einem Hospiz und einem Jugendzentrum", erzählt Pam, die rüstig auf die Achtzig zugeht, als wäre es die normalste Sache der Welt. Wäre es das nicht, würde die Treuhandschaft National Trust nicht funktionieren.
Rund 200 historische Häuser und Gärten gehören zu ihrem Besitz, ohne Volunteers könnten sie unmöglich in Schuss gehalten werden. Das gilt auch für das reizende Landhaus Lytes Cary Manor in Somerset, wo die beiden Chefgärtner Kate und Damien ohne sie allein auf weiter Flur wären. Aber jetzt sind wir ja da.
Zwiebeln
Die Sommerblüher müssen dringend ihre Wurzeln in die Erde schlagen. Stockrosen, Duftwicken und Eisenkraut können es in ihren Töpfen kaum noch erwarten. "Aber davor gibt es noch eine Kleinigkeit zu erledigen", schmunzelt Damien. Eine Kleinigkeit von 1600 Tulpenzwiebeln haben die Gärtner im Herbst eingegraben. Jetzt, da sie ihre Arbeit getan haben und abgeblüht sind, geht es ihnen mit Spaten und Grabegabeln an die Wurzeln.
Aber keine Angst: "Jeder trägt so viel bei, wie er kann und möchte", lautet Damiens Devise. Wessen Rücken Rasenkantenstechen nicht mitmacht, für den ist schnell ein anderer Job gefunden: Bill, der heuer seinen 30. Arbeitsurlaub begeht, baut aus Ästen tipiförmige Rankgerüste, Novizin Natalie macht dem Unkraut zwischen den Steinplatten der Wege mit einem Miniaturflammenwerfer den Garaus. Oder man gönnt sich eine Pause auf dem Krocket-Rasen und spürt, wie dem bürosesselgepeinigten Kreuz die Bewegung gut tut. Das sehen die Engländer nicht so eng, wirklich streng sind sie nur, wenn es um das Einhalten der Tea Time geht. Wenn der Teekessel singt - also etwa alle eineinhalb Stunden - setzt eine Völkerwanderung zum Gemeinschaftsraum im Herrenhaus ein. Teile davon gehen auf das 14. Jahrhundert zurück, wie die Room Stewards, die Besucher durch die Räume führen, zu erzählen wissen. Auch sie sind freiwillige Helfer, versteht sich.
Könige
Nur einen Katzensprung, aber eine ganze Grafschaft entfernt, liegt das Anwesen Stourhead in Wiltshire. In seinem feudalen Herrenhaus, umringt von märchenhaften Wäldern voller Rhododendren und Azaleen, Seen und Pavillons, wohnen wir fleißigen Arbeitsbienen zwar nicht, fühlen uns in den wildromantisch adaptierten Stallungen nebenan trotzdem wie die Könige. Speziell, wenn Pauline ihren berühmten Apple Crumble auftischt.
Rollt man sich abends im Schlafsack zusammen, ist man zwar hundemüde, aber vollauf zufrieden, schläft tief und fest wie ein Baby. Was auch am wohlverdienten Pint Birnencider liegen kann, mit dem wir im benachbarten Pub stolz auf die getane Arbeit angestoßen haben. "Cheers!"
Apropos: Gerade müsste unser Beet in Lytes Cary Manor in voller Blüte stehen. Bis der nächste Trupp Freiwilliger im Herbst wieder 1600 Tulpenzwiebeln setzt.