Immer mehr Menschen leben in Städten, gleichzeitig sprießen immer mehr Entwürfe von meist außen, aber auch von innen begrünten Wolkenkratzern. Brian Cody, der Leiter des Instituts für Gebäude und Energie, erklärt, woher die Faszination rührt und ob die vertikalen Gärten in unseren Städten tatsächlich wachsen werden.
Was fasziniert uns an der Idee begrünter Hochhäuser so sehr?
BRIAN CODY: In der Wissenschaft besagt die Theorie der Biophilie, dass Menschen im Laufe der Evolution eine Affinität zu Elementen der Natur wie Bäume und Vegetation, die letztendlich menschliches Leben möglich machen, entwickelt haben. Man könnte auch behaupten, dass die Faszination auf die hängenden Gärten von Babylon zurückgeht. Vielleicht ist es einfach so, dass wir Menschen immer von ungewöhnlichen und scheinbar neuen Dingen fasziniert sind, und in heutigen Städten sind solche Projekte immer noch sehr ungewöhnlich.
Viele dieser Entwürfe werden nicht umgesetzt: Worin liegen die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung von begrünten Fassaden wie dem Bosco Verticale in Mailand?
CODY: Die größten Schwierigkeiten bei Projekten wie Bosco Verticale stellen die natürlichen Kräfte des Winds und der Gravitation, sprich Gewicht, dar. Beides führt zu erhöhtem Aufwand und natürlich auch zu höheren Baukosten. Darüber wird eine intensive Wartung benötigt und daher sind die Betriebskosten ebenfalls sehr hoch.
Sind begrünte Häuser tatsächlich auch "grün"?
CODY: Kurz gesagt, nicht unbedingt. Bei Projekten für ein Hochhaus in Seoul, Südkorea mit vertikalen Skygärten in Kollaboration mit den Architekten Delugan Meissl sowie für hängende Garten im neuen EZB-Turm in Frankfurt mit Coop Himmelb(l)au, die wir entwickelt haben, sollten „Himmelgärten“ als „grüne Lunge“ des Gebäudes fungieren und die Büroräume mit gefilterter und temperierter Außenluft versorgen. Beim Projekt in Seoul sollte Grundwasser verwendet werden, um die eintretende Luft zu temperieren und im Sommer zu entfeuchten. Der Prozess stellt eine symbiotische Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur dar, in dem die Menschen die getrocknete kühle Luft erhalten und die Pflanzen das kondensierte Wasser. Beide Ansätze wurden leider in der Form nicht umgesetzt. Anderseits besteht die Gefahr, dass Begrünung nur als Feigenblatt verwendet wird, um ein nicht ökologisch geplante Hochhaus ökologisch aussehen zu lassen; sogenanntes Greenwashing.
Welche Vorteile haben begrünte Hochhäuser?
CODY: Bei den Konzepten, die wir für die eben erwähnten Projekte in Seoul bzw. Frankfurt entwickelt haben, tragen die Vegetation und Pflanzen zur Filterung, Luftreinigung, Befeuchtung im Winter und adiabatische Kühlung im Sommer sowie zur Beschattung bei. Weitere Vorteile können Sauerstoffanreicherung und Schallschutz sein.
Effekte für das Mikroklima der Stadt sind ebenfalls erreichbar; Luftqualitätsverbesserung, Temperaturreduktion bei heißem Wetter usw; allerdings eine sehr große Blattfläche ist erforderlich, um auf dieser Ebene einen spürbaren Beitrag zu erzielen. Wissenschaftliche Studien haben auch gezeigt, dass Menschen in Räumen mit Begrünung weniger gestresst sind und produktiver arbeiten. Diese Effekte kann man zwar nicht 1:1 auf Begrünung an Fassaden übertragen: Es ist jedoch davon auszugehen, dass solche Elemente sowohl auf den Bewohner des jeweiligen Gebäudes als auch auf den Stadtbewohner, die daran vorbei gehen, ähnliche positive Effekte ausüben.
Gibt es Erfahrungswerte der Bewohner von Projekten, die bereits realisiert worden sind?
CODY: In der Architektur wird das Bosco Verticale Projekt als wichtig gesehen, da es zeigt, dass das doch möglich ist, große Bäume in einem Hochhaus zu integrieren. Die intensive Pflege und Wartung haben jedoch sehr hohe Betriebskosten für die Bewohner nach sich gezogen. Abgesehen von den hohen Kosten, ist der Ressourcenaufwand und das Nutzen/Aufwand-Verhältnis bei diesem Projekt (Statik, Konstruktion, Bewässerungssysteme etc.), um solche Bäume in der Höhe anzuordnen, ist aus ökologischer Sicht durchaus kritisch zu sehen.
Werden sich begrünte Hochhäuser in der Stadt durchsetzen und ein gängiger Anblick werden?
CODY: Solche Zukunftsprognosen sind immer schwierig, eigentlich unmöglich. Die Frage, ob Hochhäuser in einer Stadt wie Wien oder Graz sich überhaupt durchsetzen, genauso. Das hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt Moden/Trends usw. Auch von den berichteten Erfahrungen mit den bisher umgesetzten Beispielen. Letztendlich sind solche Ansätze jedenfalls notwendig, genauso wie energieproduzierende Fassaden. Wobei hier keine Konkurrenzsituation entstehen muss. In der richtigen Anordnung kann Begrünung einen Kühleffekt für die Photovoltaikmodule leisten und somit deren Effizienz steigern. Es ist, wie immer eine Frage der zur Verfügung stehenden Ressourcen, auch des Geldes. Aufwendige Ansätze, wie die Bäume auf den Balkonen in Mailand, werden sich dagegen meines Achtens nicht durchsetzen.