Ein junges Paar auf der Suche nach einer Familienwohnung in Wien: Sie, Journalistin, mit dem Wunsch nach Garten, am liebsten in einem Außenbezirk. Er, Anwalt, mit dem Wunsch, innerstädtisch mit kurzen (Fuß-)Wegen zu wohnen. Einen Kompromiss zwischen beidem bot ein Grundstück in einem der dichtesten und lebendigsten Quartiere Wiens, der Neubaugasse im 7. Bezirk. Es liegt geschützt im Hof eines der wenigen noch erhaltenen barocken Vorstadthäuser. In der Mitte des lang gezogenen, schmalen Hofes befand sich ein Lager, an dessen Stelle der Neubau entstand.

Er erstreckt sich entlang der Feuermauer zum Nachbargrundstück mit einer Länge von 24 Metern und einer Breite von nur 4,60 Metern. Das Bauherrenpaar verzichtete darauf, die gesamte mögliche Fläche zu bebauen, um einen kleinen Garten zu erhalten. Der Bau selbst stuft sich in einer Reihe von Terrassen zum Garten hin ab. Das Haus besteht aus drei Geschoßen, hat aber sechs unterschiedliche Niveaus und 16 unterschiedliche Raumhöhen. Dem komplexen Raumkonzept legten PSLA Architekten – Lilli Pschill und Ali Seghatoleslami – ein strenges System von zwei mal zwei Meter Maßmodulen zugrunde.

Querbelichtung und Querbelüftung

„Wir hatten absolutes Vertrauen in die Architekten“, sagt die Bauherrin. „Auch bei Ideen, zu denen wir zunächst gesagt haben: Das machen wir nicht.“ Da war zum Beispiel der Vorschlag, den schmalen Baukörper mittig zu einer Nische zurückspringen zu lassen. Für die künftigen Bewohner bedeutete der Vorschlag zunächst nur Verlust an Wohnfläche. „Aber die Pläne lagen auf dem Tisch, beim Vorbeigehen haben wir sie immer wieder angeschaut und uns irgendwann gesagt: Vielleicht ist das doch sinnvoll so.“ Mit dem mittigen Rücksprung des Baukörpers wurden (Ost-West-)Querbelichtung und Querbelüftung möglich. Alle nach Osten und Westen orientierten Fenster lassen sich öffnen. Die Fenster nach Süden zum Hof sind für Belichtung und Ausblick da, sind quasi transparente Wand.

Ruhe vor dem Verkehrslärm

Die baumbestandenen Höfe der Wohnhäuser vor der Gründerzeit stellten eine wichtige Grün-Ressource in der Stadt dar. Ihr Fehlen macht sich im Stadtklima heute gravierend bemerkbar. Mit dem Garten und den Terrassen, auf denen auch Bäume wachsen, und mit der Bepflanzung von Feuermauer und Fassaden, holt der Bau Grün in die Stadt zurück.
Und noch eine andere Qualität bietet das Hofhaus: Ruhe vor dem allgegenwärtigen Verkehrslärm. Über eine Außenstiege kann man das Haus vom Garten aus bis auf die oberste Terrasse begehen und man kann es im Rundweg zwischen innen und außen erleben. Das nächste Vorhaben ist ein Gemüsegarten auf einer der Terrassen. Die Kinder sollen erleben, wie Nahrung wächst, und sie sollen ernten können.
Die gesamte 165 Quadratmeter große Wohnfläche ist ein fließender, offener Raum. Abtrennbar sind die Bad- und Schlafbereiche bei Bedarf durch Vorhänge.

Beziehung mit den Nachbarn

Der Erschließungsweg für die anderen Bewohner der Liegenschaft führt direkt am Haus vorbei. Man muss in einer solchen Situation auch einen respektvollen nachbarschaftlichen Umgang kultivieren. Um eine gewisse Geschütztheit zu schaffen, ist der Ess-/Küchenbereich im Erdgeschoß gegenüber dem Hofniveau um ein paar Stufen erhöht. Hier befindet sich auch der Lieblingsplatz der Bauherrin, die Fensternische mit integriertem Stauraumsofa.

Auch für Kinder gut geeignet

Vor Herausforderungen scheuen Bauherrin und Bauherr nicht zurück: Im Jahr nach Erstbesichtigung des Grundstücks kam die Tochter zur Welt. Während der Hausplanung der erste Sohn, kurz nach der Übersiedlung Sohn zwei. Das Haus hat sich als absolut „Kinder-proofed“ erwiesen. Für die Fünfjährige und den Zweijährigen ist der Hof selbstverständlicher Wohnbereich, sie sind dort geschützt und gleichzeitig frei. Dort düsen sie mit ihren Fahrrädern, dort haben sie ihre Schaukel und ihre Matschküche.
Für alle innerstädtischen (Arbeits-)Wege bedarf es nun keines Autos mehr, das auch gleich eingespart wurde.

Das Haus grenzt direkt an die Feuermauer
Das Haus grenzt direkt an die Feuermauer © Simone Bossi

Ein quadratischer Raster als Entwurfsgrundlage, Sichtbeton, Holz, Stahl, Industrienetze als Fallschutz. Der architektonische Ansatz ist strukturiert und puristisch. Die Bewohner sind das pure Leben – was immer auch Chaos bedeutet. Die beiden Systeme fügen sich wunderbar ineinander.