Der Wind pfeift durchs Ennstal und wirbelt den Schnee auf. Der Grimming trägt Weiß. Glücklich, wer jetzt vor einem flackernden Kaminfeuer sitzt und den mächtigen Berg in voller Pracht durch ein riesiges Panoramafenster bestaunen kann. Wie in dem neuen Zubau eines Einfamilienhauses in Aigen im Ennstal. Der Bauherr kannte die Gegend von Urlauben auf dem Bauernhof, verliebte sich in den Grimming, dann in ein Grundstück samt Haus und erwarb es schließlich. Und weil er den Berg nicht nur durch die kleinen Fenster des dunklen Wohnzimmers sehen wollte, wandte er sich an Architekt Gerhard Kreiner.
Ein „Grimming-Raum“ sollte es werden, der das beeindruckende Felsmassiv in der ganzen Breite abbilden würde, ohne dass man ums Eck schauen oder Kompromisse beim Natur(fern)sehen eingehen musste. Ein Holzzubau, der behutsam an den Altbestand angepasst werden sollte. Einfach war das nicht. Denn rund ums Haus stößt man auf Torf. Gerhard Kreiner wirft kurz einen Blick zurück: „Früher gab es wenige Wege durch die Moore im Ennstal. Pürgg war eine Anlaufstelle für den Salztransport aus Aussee, weiter ging es dann über das Murtal nach Italien.“ Der Torf brachte schon so manchen ambitionierten Bauplan ins Wanken.
Auf Pfählen gebaut
Für den Zubau in Aigen trieb man deshalb rund 15 Meter tiefe Pfähle aus Lärchenholz in den Untergrund, um ihm die nötige Stabilität zu verleihen. Darauf wurde ein Betonrahmen aufgebaut, um eine gewisse Höhe zu erreichen. Über den so entstandenen Hohlraum wurde die Decke gedämmt und eine „Holzriegelbox“ aufgesetzt.
Optisch fügt sie sich gut an den Altbestand – die Holzfassade besteht aus vorvergrauter Lärche. „Sie wird mit der Zeit silbrig, aber nicht schwarz. Man muss sie nie mehr streichen“, erklärt Kreiner.
Für die Schnittstelle zum alten Haus erarbeitete der Architekt in enger Zusammenarbeit mit dem Bauherrn eine raffinierte Lösung. Betritt man das Haus durch die Vordertür, präsentiert es sich im bekannten Zuschnitt eines 70er-Jahre-Hauses – kleiner Vorraum, dunkle Türen zu allen Seiten hin, rechts führt eine Treppe ins obere Stockwerk, links geht es in die Küche. Dahinter liegt ein gemütliches Lesezimmer mit Vitrine und Ohrensessel, das gleich mitrenoviert wurde – der neue Zubau erschließt sich über zwei Sichtachsen. Die kleinen Außenfenster und der schmale Balkon sind raumhohen Glasfronten und einer breiten Terrasse gewichen.
Raumteiler Kachelofen
Ein Kachelofen – gearbeitet wurde mit regionalen Handwerksbetrieben – fungiert als Raumteiler, der einen lauschigen Bereich vor dem Ess-/Wohnraum des Zubaus versteckt. Eine Wand ist urig mit unbehandeltem Altholz verkleidet und trägt ein mächtiges Schaufelgeweih. Das Himmelblau der großen Couch findet sich farblich im Teppich wieder, auf der anderen Seite ein Esstisch vom gleichen Tischler, der auch für die Fensterrahmen aus Eiche verantwortlich zeichnet.
Im Sommer werden die Glasfronten komplett zur Seite geschoben, zum Querlüften im hinteren Bereich dienen zwei kippbare Elemente. Versorgt wird die Fußbodenheizung des Zubaus über die Zentralheizung, die schon vorhanden war.
Der Zubau ist zum Wohlfühlraum geworden. Schneetreiben vor der Panoramascheibe verstärkt das Gefühl von Behaglichkeit – kein Wunder, dass sich das Leben der Bewohner nun hauptsächlich in diesem Teil des Hauses abspielt.
Birgit Pichler