Ein Haus, in dem man Jahrzehnte des Erwachsenenlebens verbringt, gibt man nicht von heute auf morgen auf. Zu viele Erinnerungen sind damit verknüpft. Deshalb zögerten Manuela und Gerhard lange, bevor sie überhaupt in Erwägung zogen, neu zu bauen. Nach ihrer Heirat zogen sie in ein Haus im Paltental, das der Vater noch mit eigener Kraft erbaut hatte. Rund 30 Jahre sollte es dem Paar und seinen beiden Kinder ein solides Zuhause sein.
Das Lieblings-Ausflugsziel des sportlichen Paares war allerdings schon immer das Ennstal. 1984 kauften sie dort ein Hanggrundstück, ließen es aber lange Jahre unangetastet. Doch der Traum vom neuen Haus stahl sich immer wieder in die Gedanken und nahm dort mit der Zeit Formen an – zwei Jahre vor der Pensionierung so konkret, dass auch ein großer Skizzenblock mit ins Urlaubsgepäck des Bauingenieurs wanderte.
Die Natur ins Haus holen
Mit den Skizzen im Gepäck und den Anforderungen an das neue Zuhause wandte man sich schließlich an Architekt Gerhard Kreiner. Lichtdurchflutet sollte es sein, auf den Ebenen altersgerecht angelegt, außerdem „wollten wir Blickachsen, um die Umgebung, die Natur ins Haus zu holen“. All das in einem möglichst schlanken Kostenkorsett.
Zunächst galt es aber, ein paar (Selbst-)Zweifel aus dem Weg zu räumen. „Unsere Bekannten haben gefragt: In dem Alter wollt ihr euch noch verändern? Ihr kennt doch niemanden dort“, erinnert sich Gerhard und lächelt. „Eine Wohnung in einer Stadt wie Graz wäre eine Alternative, haben unser Sohn und unsere Tochter gesagt, vor allem wenn man an später denkt.“
Doch die Liebe zum Sport – „Wandern, Laufen, Schwimmen, Radeln, Langlaufen, alles vor der Haustür“ – gab den Ausschlag. „All den Zweifeln zum Trotz haben wir gesagt: Wir probieren’s!“ Binnen zwei Wochen fand sich ein Käufer für das alte Haus.
Gemeinsames Tüfteln
Schon der erste Entwurf von Gerhard Kreiner gefiel – gemeinsam wurde an Details getüftelt, die Wohnebenen in den Hang gerückt und schließlich noch ein Lichtband eingezogen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwei übereinandergestellte Kuben scheinen aus dem Hang herauszuwachsen. Die Wohnebene nimmt sich ein wenig zurück. So sitzt man am Esstisch und schaut erhaben über die weiten Grasflächen. Spaziergänger hingegen haben keinen Einblick in die Wohnräume, denn die vorgezogene untere Ebene sorgt dafür, dass man neugierigen Blicken gar nicht erst ausgesetzt ist. Beide Ebenen sind barrierefrei angelegt, auch die Treppe wurde breiter gebaut, falls später einmal ein Treppenlift vonnöten sein sollte. Zu ebener Erde findet sich ein eigener kleiner Wohnbereich.
Für den Sohn des Hauses behielt man sich die Überraschung bis zuletzt vor. Als er zum Heimaturlaub nach Hause kam, begrüßten ihn die Eltern und verrieten dann: „Wir wohnen jetzt woanders.“