"Wir kämpfen um das Überleben unseres Unternehmens.“ Der Hilferuf von Christian Hlade, Gründer und Chef des Reiseanbieters Weltweitwandern, ist eine Woche alt. „Gerade noch bin ich vor einem wachsenden und völlig gesunden Unternehmen gestanden – und jetzt?“, sprach Hlade von einer „existenzvernichtenden Situation“. Er ist damit nicht alleine. „Alles, was man ein halbes Jahr vorbereitet hat, ist mit einem Tag zerstört“, klagt Helmut Hirner, Inhaber des auf Schul- und Sportsprachreisen spezialisierten Reiseveranstalters H2.
Die Krise hat die Branche an mehreren Fronten getroffen: Laufende Reisen mussten abgebrochen, bevorstehende abgesagt werden. Dazu brach das Buchungsgeschäft völlig ein, dafür kamen eine Stornierungswelle und die Rückabwicklung von Reiseanzahlungen. Ein Super-GAU. „Die Reisebranche ist der größte Verlierer der aktuellen Lage“, so Josef Peterleithner, Präsident des Österreichischen Reiseverbandes (ÖRV).
Eine Zwischenbilanz nach einer Woche Ausnahmezustand zeigt die Ausmaße des wirtschaftlichen Kahlschlags: Tausende Urlauber wurden von den heimischen Reisebüros eilig zurück nach Hause geholt. Rund um die Uhr liefen die Telefone heiß, sieben Tage die Woche, egal ob im Homeoffice oder bei den letzten verbliebenen Statthaltern in den stillgelegten Filialen.
„Die Lage hat sich stündlich verändert“, erinnert sich Max Schlögl, Geschäftsführer von Gruber Reisen. „Eine Gruppe von 100 Personen haben wir in Bussen aus Spanien abgeholt, wenige Stunden bevor die Grenzen dichtgemacht wurden.“ Viele Veranstalter halfen sogar Urlaubern aus der Patsche, die gar nicht bei ihnen gebucht hatten. Jetzt aber stehen viele Unternehmen vor einer betriebswirtschaftlichen Klippe: „Die Erlöse der letzten sechs Monate sind weg, wir haben hohe Kosten und keine Einnahmen“, sagt Schlögl.
An der Liquidität knabbert zudem, dass zahlreiche Airlines und auch einige Reedereien dazu übergegangen sind, ihre Kunden mit Gutscheinen abzuspeisen, und die Refundierung der bezahlten Tickets verweigern. Das bedeutet: Hat der Kunde über ein Reisebüro gebucht, muss er nach dem Pauschalreisegesetz alle bezahlten Beträge zurückerstattet bekommen. Der Reiseveranstalter bleibt seinerseits aber auf den Kosten gegenüber anderen Leistungsträgern sitzen.
„Was hier läuft, ist schlichtweg ungesetzlich. Wir erwarten uns eine rasche politische Lösung im Sinn der Konsumenten und der Reisebüros“, drängt Walter Krahl, Geschäftsführer Ruefa. „Wir wollen die Kunden so schnell wie möglich entschädigen und versuchen im Rahmen unserer Liquidität zurückzuzahlen. Aber die Rückabwicklungskette kann so nicht funktionieren“, sagt Patrik Weitzer, Geschäftsführer von Austrian Cruise Center, Raiffeisen und Geo Reisen. Eine Möglichkeit sieht die Branche darin, bei Stornierungen, statt Rückzahlungen zu leisten, Gutscheine auszugeben. Der Vorteil: Deren Wert ist auch im Fall von Insolvenzen abgesichert.
„Wir haben viele verständnisvolle Kunden, die ihre Reisen auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen“, erzählt Andrea Springer, Geschäftsführerin von Springer Reisen. Dennoch: „Es ist eine Krise wie keine andere zuvor.“ Der Planungshorizont ist auf maximal drei Wochen geschrumpft. Wann sich der Markt erholen könnte, traut sich niemand vorherzusagen: „Die Welt ist unser Geschäft – und die steht still“, sagt Springer.
Während bei den einen noch die Hoffnung auf eine verspätete Sommersaison lebt, rechnen andere mit einer Normalisierung der Umsätze erst wieder 2022. „Der Urlaub ist immer das Erste, auf das man in schweren Zeiten verzichtet, und das Letzte, das man sich wieder gönnt“, warnt Patrik Weitzer vor einer noch lange anhaltenden Durststrecke.
Für Helmut Hirner, als Obmann des Österreichischen Vereins für Touristik (ÖVT) Sprecher von 200 Branchenunternehmen, ist daher klar: „Ohne einen staatlichen Rettungsschirm wird es nicht gehen.“ Um Druck Richtung Politik aufzubauen, wurde eine Petition aufgelegt, die bislang bereits von 240 Betrieben und Hunderten Mitarbeitern unterzeichnet wurde. Gefordert werden Entschädigungen für bereits erbrachte Arbeit und Leistung, um Betriebe zu retten. Es gehe nicht nur um den Erhalt von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen in größtenteils kleinen und mittleren Unternehmen, sondern auch um Sicherheit und Schutz der Kunden, so Hirner (ÖVT) und Peterleithner (ÖRV) unisono.
Bei Wanderspezialist Hlade ist mittlerweile kämpferische Zuversicht eingekehrt. Er setzt neben Kurzarbeit und Finanzierungshilfe auch auf die Solidarität seiner Kunden: „Wir laden unsere Gäste ein, ihre jetzt abgesagte Reise auf Herbst oder nächstes Jahr umzubuchen oder sich von uns einen Gutschein ausstellen zu lassen.“ Max Schlögl (Gruber Reisen) berichtet indes von vereinzelten Anfragen, „ob man nicht kurzfristig auf eine entlegene Insel fliegen könnte, um die Krise zu überdauern.“