Über die erste „klassische Hochkonjunktur seit zehn Jahren“ wurde im Vorjahr beim traditionellen Konjunkturgespräch der Raiffeisen-Landesbank (RLB) gejubelt. Bei der 30., der „Jubiläumsauflage“ dieses steirischen Expertenforums, die am Donnerstagabend in Raaba über die Bühne ging, waren zwar keine Jubelchöre mehr zu vernehmen, aber auch keine konjunkturellen Abgesänge. „2018 war für die steirische Industrie hinsichtlich des Beschäftigungswachstums und der Investitionstätigkeit ein Ausnahmejahr, das ist aber nicht die neue Normalität“, sagt Georg Knill, Präsident der steirischen Industriellenvereinigung.
Auftrags- und Geschäftslage hätten sich verschlechtert, „es hat sich eine gewisse Ernüchterung im Ausblick eingestellt, aber, das ist ganz wichtig, wir sprechen immer noch von Wachstum“. Das „ganz hohe Wachstumsniveau von 2018 hat sich auf ein normales Niveau“ eingebremst, so Knill.
"Das Glas ist immer noch mehr als halb voll"
Der Generaldirektor der RLB, Martin Schaller, betont mit Blick auf die steirische Wirtschaftsentwicklung: „Aus meiner Sicht ist das Glas immer noch mehr als halb voll.“ Das spiegle sich auch bei den Unternehmensfinanzierungen wider. „Im Vorjahr lag unser Kreditwachstum bei 15 Prozent, das war Ausdruck der Hochkonjunktur.“ Man registriere auch heuer „eine hohe Kreditnachfrage, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgeht“, so Schaller. Aus seiner Sicht sei diese Entwicklung sogar als „gesund“ zu werten. Als Regionalbank unterstütze man die steirische Wirtschaft – neben genannten Finanzierungsleistungen – u. a. auch bei Exporten, Förderungen, Gründungen sowie bei der Betriebsnachfolge. Insgesamt belaufe sich das Finanzierungsvolumen des steirischen Raiffeisensektors mittlerweile auf 15 Milliarden Euro, „täglich kommen im Schnitt zwölf Millionen Euro an frischen Finanzierungen hinzu“, sagt Schaller. Gründe für Zuversicht gebe es genug, „ich behaupte aber immer noch, dass die Stimmung die halbe Konjunktur ausmacht“.
Diesen psychologischen Aspekt führt auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung ins Treffen. Er appelliert: „Wir dürfen die Stimmung nicht in den Keller reden.“ Denn Österreich sei „meilenweit von einer Rezession entfernt“. Nach dem BIP-Wachstum von 2,7 Prozent 2018 „gehen wir heuer von 1,5 bis 1,75 Prozent aus – das entspricht genau den Prognosen, die wir im Vorjahr getroffen haben, niemand sollte also überrascht sein“, sagt Helmenstein, der ebenfalls von einem „konjunkturellen Normaljahr spricht“. Er warnt zudem davor, „sich vom Rezessionsgerede in Deutschland anstecken zu lassen“.
Die deutsche Wirtschaft wird heuer um weniger als ein Prozent zulegen, das sei aber auch auf gravierende Sondereffekte zurückzuführen, wie den neuen Abgastestzyklus WLTP, der den Herstellern zugesetzt habe, Streiks im dritten und vierten Quartal sowie das Niedrigwasser am Rhein, das sich negativ auf einzelne Industriezweige ausgewirkt habe. „Alleine aus diesen Sondereffekten sind dort im zweiten Halbjahr 2018 drei Prozentpunkte Wachstum verloren gegangen“, so Helmenstein. „In Österreich haben wir also überhaupt keinen Grund, dass wir wie in Deutschland ein Wachstum unter einem Prozent befürchten müssen.“
"Ertragslage der Unternehmen ist stark angespannt"
Dennoch sei die gedämpfte Konjunktur auch als Auftrag an die Regierung zu verstehen, „die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern“, sagt Knill. Auch für Unternehmen müsse im Zuge der Steuerreform die Steuer- und Abgabenlast reduziert werden. So zeigt ein Pfeil im aktuellen steirischen Konjunkturbarometer für die Industrie steil nach unten, und zwar jener, der den Preisindex abbildet. Dieser ist auf den tiefsten Wert seit drei Jahren gesunken. „Die Ertragslage der Unternehmen ist stark angespannt, umso wichtiger sind Kostenentlastungen am Standort“, so Knill.
Schaller fordert zudem einmal mehr, dass Regularien, Vorschriften und Bürokratie „gerade für Regionalbanken, aber auch für Industriebetriebe dringend abgebaut werden müssen“. Hier sei Augenmaß gefragt, „um das Pendel der Belastungen wieder in die Mitte zu bringen“.