Zehn Jahre sind von der ersten Idee eines Wasserstoffspeichers in ausgeförderten Gasfeldern bis zur Realisierung vergangen. In Gampern, unweit von Seewalchen am Attersee, steht jetzt ein Meilenstein der Energiewirtschaft der Zukunft: Aus überschüssigem Sonnen- oder Windstrom produzierter Wasserstoff wird hier unter hohem Druck durch eine Sonde in 1000 Meter Tiefe gepresst. Wird er gebraucht, strömt er wieder heraus. "Underground Sun Storage" nennt sich das Vorzeigeprojekt der RAG. RAG-Chef Markus Mitteregger will zeigen, dass Wasserstoffwirtschaft bis zum Endverbraucher funktioniert: "Wir bauen heuer noch eine Pipeline, die über acht Kilometer zu einem weiteren Standort von uns ans andere Ende der Gemeinde führt." Dort wird der Wasserstoff über eine Kraft-Wärme-Kopplung zur Hälfte in Strom und Heizwärme umgewandelt.
RAG stand früher einmal für Rohölaufsuchungsgesellschaft, sie hat Österreichs natürliche Öl- und Gaslagerstätten erschlossen. Heute ist sie Österreichs größter Speicherbetreiber für Erdgas – und laut Mitteregger will sie das auch schon bald in größerem Stil für Wasserstoff sein. Heute steht RAG für Renewables and Gas, die Erneuerbaren sind schon Teil des Namens.
"Reiferes Stadium als Forschung und Entwicklung"
Wer bisher dachte, dass die Wasserstoffwirtschaft in ferner Zukunft liegt, hört von Mitteregger Überraschendes: "Wir sind in einem deutlich reiferen Stadium als Forschung und Entwicklung." Die akribischen Untersuchungen, wie das Zusammenspiel von Physik, Chemie und Biologie mit Wasserstoff statt natürlichem Methan funktioniert, diese Arbeit liegt bereits hinter den zahlreichen beteiligten Unternehmen und Forschungsteams etwa der Boku, TU Wien und der Kepler-Uni Linz. Mitteregger zufolge ist die Skalierung des "Underground Sun Storage" in große Maßstäbe kein Problem mehr.
Zwei Jahre dauerte die konkrete Projektrealisierung der am Donnerstag – mit Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer – eröffneten, noch relativ kleinen Demonstrationsanlage. In Gampern kann der Speicher drei Monate befüllt und drei Monate entleert werden. Der Sommerüberschuss von rund 1000 PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern wird hier genutzt. 4,2 Gigawattstunden Energie werden zu Wasserstoff, der entfeuchtet in horizontalen Feldern in Porengesteinsschichten eingelagert wird – wie zuvor das natürliche Erdgas. 15 Millionen Euro kostete die Anlage, mehr als sieben Millionen Euro Förderung steuerte der Energie- und Klimafonds bei. Weitere fünf Millionen Euro investiert die RAG in die Pipeline.
"Irgendwohin mit dem Strom"
Die ersten großen kommerziellen Speicher könnte es schon ab 2025 oder 2026 geben, sagt Mitteregger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Dann sollte es bereits große Mengen an Überschussstrom geben." Der ist besonders billig, oft sogar mehr oder weniger gratis. So gab es am vergangenen Samstag wegen des strahlenden Sonnenscheins in Deutschland schon Strom um praktisch null Cent zu kaufen. Mitteregger: "Wir müssen angesichts der großen Leistungszuwächse bei den Erneuerbaren ja auch irgendwohin mit dem Strom."
Die RAG verfügt in Österreich über immerhin zehn Gasspeicher, mit denen sich das Unternehmen mittelfristig neu positionieren will. Geologisch habe Österreich für die Wasserstoffspeicherung beste Voraussetzungen, betont der RAG-Chef. "Für die Energiewende müssen wir uns mit der Sonne arrangieren", sagt er. Mindestens zehn Terawattstunden Energietransfer sind von den sonnenreichen Monaten zu den sonnenarmen Monaten nötig, um nicht im Kalten zu sitzen. Deshalb hält er Wasserstoff als Energieträger für alternativlos.
Tatsächlich arbeiten längst Expertenstäbe an konkreten Plänen, wann und wo das österreichische Erdgasnetz um Wasserstoffpipelines ergänzt oder auf Wasserstoffbetrieb hochgerüstet wird. In Ostösterreich ist auch bereits ein sehr großer Wasserstoffspeicher "Kollektor Ost" in Planung.
Claudia Haase