Nach der Eskalation des Kollektivvertragsstreits mit ihren Piloten hat die skandinavische Fluggesellschaft SAS die Reißleine mit einer Insolvenz nach US-Recht gezogen. Einen Tag nach Beginn des Pilotenstreiks teilte die Airline am Dienstag mit, sie habe in den USA Gläubigerschutz beantragt. Der Ausstand habe den Entschluss zu diesem Schritt beschleunigt, denn er belaste die Finanzlage und die Liquidität der Airline, sagte SAS-Chef Anko van der Werff.

Ziel des Verfahrens sei, die laufende Restrukturierung von SAS voranzutreiben. Dabei will die Airline ihren Betrieb weiterführen. Derzeit hätte sie genug Liquidität, um weiterzuarbeiten. Aber bei einem länger dauernden Pilotenstreik ändere sich die Lage. "Wir fordern die Pilotengewerkschaft von SAS Scandinavia auf, ihren Streik zu beenden und sich konstruktiv an diesem Prozess zu beteiligen", fordert van der Werff.

Am Montag waren die Tarifverhandlungen der skandinavischen Fluglinie mit ihren Piloten gescheitert. Das Cockpit-Personal begann unmittelbar den Streik. Nach Angaben der Gewerkschaften wollen sich fast 1000 Flugzeuglenker in Dänemark, Schweden und Norwegen beteiligen. Davon könnten laut SAS jeden Tag etwa 30.000 Passagiere betroffen sein – mitten im Sommerreiseboom nach der Pandemie, der europaweit mit massiven Anlaufproblemen im Flugbetrieb einhergeht.

"Bei voller Fahrt den Motor reparieren"

Das eingeschlagene Sanierungsverfahren nach Kapitel 11 ("Chapter 11") des US-Insolvenzrechts schützt das Unternehmen für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger – einschließlich der Verpflichtungen aus Arbeitsverträgen – und erleichtert damit eine Restrukturierung. US-Airlines nutzten häufig diese Vorschrift, um Schulden oder teure Leasingverträge abzuschütteln. Das amerikanische Recht schützt primär das angeschlagene Unternehmen, während zum Beispiel das deutsche Insolvenzrecht in erster Linie die Gläubiger schützt.

SAS teilte weiter mit, das Chapter-11-Verfahren werde neun bis zwölf Monate dauern. Der Prozess diene dazu, sich mit allen Beteiligten auf eine Umschuldung zu einigen, eine kräftige Kapitalerhöhung vorzunehmen und die Flugzeugflotte neu aufzustellen. Die staatlich von Schweden und Dänemark kontrollierte Airline braucht neue Geldgeber und will Kosten senken, um für Investoren attraktiv zu werden.

Die Regierungen Schwedens und Dänemarks, zu jeweils 21,8 Prozent an SAS beteiligt, hatten erneute Finanzspritzen nach der Rettungsaktion in der Coronakrise verweigert. SAS greife zu dem Mittel des Chapter 11, weil die Airline keine Verhandlungslösung über die notwendigen Veränderungen hinbekommen habe, erklärte Jacob Pedersen, Analyst von der Sydbank. Das Ganze habe keine Auswirkungen auf den Flugbetrieb. "Sie versuchen, bei voller Fahrt den Motor zu reparieren."