Mit schweren Geschützen gehen EU und Großbritannien gegen die russische Zentralbank vor.
In der Nacht auf Montag wurden die internationalen Reserven der Bank blockiert, eine tatsächlich schwerwiegende Maßnahme. Konkret gilt ein Verbot von Transaktionen mit dem Finanzinstitut, alle Vermögenswerte der Zentralbank in der EU werden eingefroren, um zu verhindern, dass damit der Krieg von Kremlchef Putin finanziert wird.
Der Grund: Der Zentralbank soll massiv erschwert werden, mit internationalen Finanzgeschäften den Rubel zu stützen. Aber nicht nur das, es gibt eine Reihe von Konsequenzen (siehe weiter unten).
Das Ziel: Die Schwächung der Nachfrage nach der russischen Währung. Weil Währungen letztlich Waren sind, die an Börsen gehandelt werden, lässt das den Wert des Rubels – und damit den Wechselkurs zu Euro und Dollar – abstürzen.
Die Folge: Ohne Zugriff auf dieses Geld kann die russische Zentralbank weder den Fall des Rubels bremsen noch die Inflation bekämpfen und russischen Banken weitere Kreditlinien ermöglichen. Das Wirtschaftsleben wird erheblich eingeschränkt.
Diese Maßnahme gilt als ebenso schwerwiegend wie der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift.
Montagnachmittag hat auch die US-Regierung ihren Bürgern und Institutionen Transaktionen mit der russischen Zentralbank untersagt. Außerdem kann die Notenbank weltweit keine Geschäfte mehr in US-Dollar durchführen. Die Sanktionen gegen die Zentralbank seien die bedeutendste Strafmaßnahme der US-Regierung, heißt es. Ausnahmen gebe es nur für bestimmte Transaktionen, die mit dem Öl- und Gasmarkt zusammenhingen, betonte der Beamte.
Um welche Summen geht es eigentlich?
Russland verfügt über enorme Devisenreserven, laut russischer Zentralbank im Ausmaß von 643 Milliarden Dollar. Mehrheitlich angelegt in Euro, gefolgt von US-Dollar und chinesischem Yuan (laut ING). Rund die Hälfte der Finanzreserven der russischen Zentralbank sollen eingefroren werden.
Wie geht das? Ein Teil der Mittel liegt im Ausland, etwa in Frankfurt, diese können blockiert werden, sofern sie nicht der Einflusssphäre Pekings zuzurechnen sind. Manche Experten gehen von 400 Milliarden Dollar aus, die damit den russischen Invasoren fehlen werden.
Mit welchen Konsequenzen?
1. Russland kann diese Devisenbestände nicht mehr nutzen, um den im freien Fall befindlichen Rubel mit internationalen Finanzgeschäften zu stabilisieren.
2. Das alles schwächt die Nachfrage nach der russischen Währung massiv und lässt ihren Wert sinken. Allein Montagmorgen ist die russische Landeswährung um 42 Prozent abgestürzt.
3. Um die Währung zu stützen, reagierte die russische Zentralbank nun mit drastischen Maßnahmen auf die Finanzsektionen des Westens: Die Währungshüter erhöhten den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent, wie sie am Montag in Moskau ankündigten. Auch die belarussische Zentralbank hob den Leitzins an – von 9,25 auf 12,0 Prozent.
4. Mit den höheren Zinsen soll dem Risiko der Abwertung des Rubels und Inflationsgefahren entgegengewirkt werden.
5. Mit welchen Folgen? Steigt der Zins, verteuert das die Kredite und die im Umlauf befindliche Menge an Geld sinkt – das hält auch den Währungsverfall auf. Außerdem müssen russische Firmen, die Einkommen aus Exporten erzielen, 80 Prozent ihrer ausländischen Devisen verkaufen. Aber reicht das?
6. Denn das Ganze geht bereits mit einem ersten "Run" auf russische Banken einher: Die Menschen in Russland versuchen Nachrichtenagenturen zufolge eilig, ihre ersparten Rubel abzuheben und sie in ausländische Devisen umzutauschen, bevor die Kurse weiter fallen. Die Nutzung von Visa- und Mastercard-Karten im Ausland ist unmöglich.
7. Russische Unternehmen leiden ebenfalls bereits: Mit den Maßnahmen wird der Einkauf im Ausland deutlich erschwert, weil Rubel wohl kaum mehr wo gefragt sind – und andere Währungen fehlen weitgehend.
8. Dabei wird es nicht bleiben: Können Forderungen russischer Banken gegenüber ihrer Zentralbank nicht mehr befriedigt werden, müsse man "damit rechnen, dass es in Russland Bank-Runs gibt, also einen Ansturm auf die Banken. Eine ganz ausgemachte Finanzmarktkrise droht da", erklärte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im ORF-Radio.
9. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) unterhält übrigens keine Geschäftsbeziehungen mit der Russischen Zentralbank und hält auch keine Einlagen von dieser. Russische Banken haben etwas mehr als zwei Milliarden Euro an Einlagen hinterlegt.
Dazu kommen noch 1,66 Milliarden Euro an Einlagen von privaten russischen Haushalten und 0,25 Milliarden Euro, die russische Unternehmen hinterlegt haben. Zum Vergleich: Das Geldvermögen der Österreicherinnen und Österreicher betrug im Juni des Vorjahres 800 Milliarden Euro.
10. Mit dieser Zange aus Swift-Ausschluss russischer Banken und Zentralbank-Sanktionen setzt die EU Russland massiv zu. Es sei daher nun die "Gretchenfrage der nächsten Stunden", ob Russland überhaupt weiter bereit sei, Gas in die EU zu liefern, sagte Felbermayr. Wobei noch gehofft werden darf, durch Ausnahmen, die beim Swift-Ausschluss gemacht wurden, dem Gas-Stopp noch zu entgehen.