Mit der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag wurden die Weichen im Euroraum wohl neu gestellt. „Bleibt die Inflation hoch, wird die EZB wohl erstmals in der zweiten Jahreshälfte 2022 an der Zinsschraube drehen“, erklärt RBI-Chefanalyst Peter Brezinschek: „Damit würde die Draghi’sche Ära zu Grabe getragen.“ Während der Ära des Vorgängers von EZB-Präsidentin Christine Lagarde und heutigen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi drückte die EZB die Zinsen auf Nullniveau, startete billionenschwere Anleihenkaufprogramme und eine ultralockere Geldpolitik.

Damit ist es jetzt, angesichts der im Euroraum im Jänner auf über fünf Prozent angestiegenen Inflation, vorbei. In den USA, wo die Teuerungsrate bereits auf sieben Prozent kletterte, gehen die Zinsen schon ab März nach oben. Der Markt gehe jedenfalls davon aus, dass die EZB der Federal Reserve in Washington beim Stopp des Billiggeldes zeitverzögert folgen werde. So steigen die Renditen auf österreichische Staatsanleihen bereits – auch in Erwartung der EZB-Kursänderung.

Für Unternehmen wird es viel teurer

Inflation verteuert aber nicht nur das Leben für private Haushalte, sondern sie belastet auch Unternehmen: Höhere Kosten etwa für Rohstoffe, Vorprodukte und Logistik, aber auch Lohnsteigerungen, mitunter weit über den kollektivvertraglich vereinbarten, reduzieren die Gewinnmargen und schwächen die Eigenfinanzierungskraft. Und das in einer Transformationsphase – Unternehmen sind dann bei Klimaschutz und Digitalisierung verstärkt auf Fremdkapital angewiesen.

Schwacher Euro als Gefahr

Im Zuge der Signale aus Frankfurt für eine Zinsanhebung erholt sich auch der Euro-Kurs ein wenig. Ein zu schwacher Euro wäre auch gefährlich, warnt Brezinschek. „Wir können es uns nicht erlauben, dass der Euro zu stark verliert.“ Denn dann kämen zu den Preissteigerungen für Rohstoffe und Energie auch noch Verluste durch den schwachen Wechselkurs zum Dollar dazu. Dieser freut zwar üblicherweise Exporteure, doch stark steigende Kosten könnten durch ein Plus bei den Ausfuhren keineswegs ausgeglichen werden.

Peter Brezinschek
Peter Brezinschek © Markus Traussnig

Mythos Staatsverschuldung

Dass die hohe Staatsverschuldung etwa in Italien und Griechenland die EZB zum Hinauszögern einer Anhebung des Leitzinses zwängen, hält Brezinschek für einen Mythos. „Nur die Neuverschuldung würde zu den höheren Zinsen erfolgen. Außerdem profitieren ja die Eurostaaten von der Inflation durch die hohen Steuereinnahmen.“ Der Staat sei der größte Gewinner der kalten Progression, „darum sind Staaten auch an höherer Inflation interessiert.“ Den hohen Preis dafür zahlen die Unternehmen – und vor allem die Privathaushalte.