Zum ersten Mal seit dem Jahr 1984 steht nun also ein 5er vor dem Komma: Die Inflationsrate in Österreich ist im Jänner, so die Schnellschätzung der Statistik Austria, auf bereits 5,1 Prozent geklettert. Das ist übrigens auch jener Wert, der für die gesamte Euro-Zone errechnet worden ist – damit lag er deutlich höher als zuletzt erwartet. Wie rasant sich die Teuerung gegenwärtig entwickelt, zeigt hierzulande der Vergleich zum Dezember, da lag die Inflationsrate noch bei 4,3 Prozent.
Während die US-Notenbank angesichts einer Inflationsrate von sieben Prozent bereits die Weichen für drei bis vier Zinserhöhungen ab März dieses Jahres stellt, zögert die Europäische Zentralbank weiterhin. Vor dem Hintergrund der aktuellen Daten und der Zinswende in den USA steigt der Druck vor der heutigen zinspolitischen Sitzung der EZB weiter. Analysten gehen zunehmend davon aus, dass bereits heuer eine Erhöhung der seit 2016 auf null Prozent einzementierten Leitzinsen notwendig werden dürfte.
„Kein Ende der Fahnenstange“ für die Teuerung ortet Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Die Inflation werde bis zum Sommer hartnäckig bleiben. Sie sei auch Folge der extremen Flutung mit Billig-Geld – zuerst sichtbar auf Finanzmärkten, jetzt auch in den Gütermärkten. Die Gefahr sozialer Verwerfungen sei groß, weil vor allem sozial schwächer Gestellte vom Kaufkraftverlust betroffen sind.
Kollege Michael Wappl befragte Menschen, ob und wie sie die steigende Inflation spüren:
Dank "Treuebonus" nur +85 Prozent
Weiterhin ist es vor allem das Thema Energie, das sich in den Geldbörsen der Bevölkerung bemerkbar macht. Von „starken Preisschüben bei den Strom- und insbesondere den Gaspreisen“ spricht Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria. Brezinschek zitiert einen Brief seines Gasanbieters: Erst im November kletterte der Preis pro Kilowattstunde um 61 Prozent, im März dreht sich das Preiskarussell erneut: Der Preis steigt um 176 Prozent. Vorübergehend, bis Jahresende, mildert ein „Treuebonus“ die Preisexplosion auf „nur“ 85 Prozent.
Zusätzlich angeheizt wird die Teuerung durch die CO2-Steuer ab Juli, meint Brezinschek. Die neue staatliche Klimaabgabe verstärke die „Klimasteuer der Märkte“ – die massiv steigenden Energiepreise wirkten „wie eine Riesen-CO2-Steuer.“
Inflation an der Zapfsäule ablesbar
Direkt ablesbar wird der CO₂-Preis ab Sommer freilich auch an den heimischen Tankstellen sein. Schon jetzt klettern die Preise im Einklang mit dem Ölpreis, der jüngst den höchsten Stand seit 2014 erreichte, in lichte Höhen. Addiere man die Effekte der CO₂-Bepreisung – Diesel wird pro Liter um 8,8 Cent teurer, Benzin um 7,6 Cent – würde der „Dieselpreis bereits jetzt über dem Rekord liegen und der Superpreis nur mehr knapp darunter“, heißt es dazu etwa von ÖAMTC-Spritpreis-Expertin Nikola Junick. Zur Erinnerung: Den preislichen Höchststand erreichten Österreichs Zapfsäulen im Jahr 2012. Damals kostete ein Liter Diesel an den Tankstellen im Schnitt 1,473 Euro, ein Liter Benzin kam auf 1,545 Euro.
Was noch immer deutlich unter jenen Preisen liegt, die zurzeit in Deutschland bezahlt werden. Dort wurden am Dienstag an den Tankstellen historische Höchststände erreicht. Superbenzin der Sorte E10 kostete im landesweiten Tagesdurchschnitt 1,712 Euro pro Liter. Der Dieselpreis zog mit durchschnittlich 1,640 Euro einen neuen Rekord an Land.
Allesamt Transformationen, die EZB-Präsidentin Christine Lagarde heute fordern, erklärt Brezinschek. Die Formel der Notenbankerin, die hohe Inflation sei temporär, habe aus seiner Sicht ausgedient: „Jetzt kann sie nicht mehr durchtauchen.“ Der Abschied von den Negativzinsen stehe bevor, erwartet Brezinschek. „Selbst ein Nullzins ist noch extrem expansiv.“