Ist das Elektroauto der Lösungsansatz aller Probleme im Mobilitätswandel – oder bringt die Fokussierung auf diese Lösung nicht auch Probleme mit sich?
Angesichts der Diskussionen lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Die E-Mobilität App „Electricity Map“ listet zum Beispiel für Österreich auf: Die spezifische Kohlendioxid-Emission der Stromerzeugung liegt bei 201 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde. 69 Prozent der Energie stammen aus erneuerbaren Quellen (Stand 5. Jänner, 11.09 Uhr). Und das, obwohl Österreich als Musterbeispiel für die Energie-Produktion aus erneuerbaren Quellen gilt.
Wirft man einen Blick nach Deutschland, sieht man 272 Gramm CO2 in der Bilanz pro Kilowattstunde. In Frankreich fallen lediglich 73 Gramm an – aufgrund des Atomstroms.
Wenn man jetzt miteinbezieht, dass die Schwerindustrie neben dem Verkehr ebenso auf Energie aus erneuerbaren Quellen umsteigen soll, dann wachsen die Zweifel, dass die Energiewende so schnell wie erhofft realisiert werden kann.
Autoindustrie unter Druck
Klare politische Vorgaben brachten die Autoindustrie unter Druck, umzuschwenken – eben in Richtung E-Mobilität. Der Umstieg wäre ohne diesen Druck niemals möglich gewesen, 2022 wird eine Reihe weiterer Elektro-Autos den Markt fluten.
Aber die Politik wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los, weil sie mit den Vorgaben eine technologische Scheuklappen-Entwicklung forcierte. Die schnellste Antwort der Industrie ist und war das batteriebetriebene Auto und die EU-Vorgaben gehen so weit, dass andere Lösungen gar nicht mehr in Betracht kommen. Wie etwa synthetische Kraftstoffe, selbst wenn sie in der Energiebilanz und beim Preis wettbewerbsfähig werden.
Fehlende technische Entwicklung
Dazu hängen die Energieversorger der Entwicklung hinterher. Es fehlen Ladestationen für ein dichtes Ladenetz zum großen E-Auto-Umstieg, der Ausbau eines veralteten Stromnetzes, das mit diesen Belastungen fertig wird, lässt auf sich warten. Der Strompreis wird laufend höher und frisst so den Kostenvorteil der E-Autos wohl langsam aber sicher auf. Ganz zu schweigen vom Irrgarten der Tarife.
Auch deshalb ist der von Ministerin Leonore Gewessler gefeierte Boom bei den E-Autos nur die halbe Wahrheit: Der Löwenanteil sind Firmenfahrzeuge, die Nutzer sparen so Steuern, können in den Firmen laden. Private zögern vielfach, weil es zu viele offene Fragen gibt.
Die Autokonzerne müssen aber ihre E-Autos 2022 in größeren Stückzahlen verkaufen, um milliardenschwere Strafzahlungen an die EU – beim Nichterreichen bestimmter CO2-Emissionsziele – zu vermeiden.
Gegen die technologische Einbahn
Erste Politiker wollen jetzt Überzeugungsarbeit gegen die technologische Einbahn, ausschließlich auf batteriebetriebene Autos zu setzen, leisten. Obwohl auch sie betonen, dass das E-Auto der erste wichtige Beitrag zum Mobilitätswandel ist – aber nicht der letzte.
In der EU gibt es mehrere gewichtige Player. Einer davon ist der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union. In diesem Ausschuss haben sich die Vertreter der Auto-Regionen (CoRAI) formiert. Der steirische Landesrat Christopher Drexler ist Präsident der Vereinigung und hat seine Zweifel am aktuellen Weg auch offiziell formuliert.
Er sagt: „Viel zu oft gilt der alte europäische Ansatz, die Politik müsse alles regeln und vorgeben. Ich glaube aber, man kann die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung nicht durch Regularien vorgeben. Man sollte immer technologieoffen sein. Batterieelektrische Autos sind eine der wesentlichen Zukunftspotenziale für die Mobilität, aber der Wasserstoff bietet unterschiedliche Potenziale und auch synthetische Kraftstoffe muss man auf ihr Potenzial abklopfen.“
Sein Credo? „Es muss einen Wettbewerb der Technologien um eine klimaneutrale Mobilität geben. Und da kann ich heute nicht jedes Detail vorschreiben wie eine technische Lösung im Detail in fünf, zehn oder 15 Jahren sein soll. Damit erleidet man einen technologischen Schiffbruch. Es braucht einen Forschungs- und Entwicklungs-Bauchaufschwung und keinen gesetzgeberischen Bauchaufschwung.“
"Kein Batterie-Aktionismus"
Gesetzmäßig hat die EU jedoch schon vorentscheidende Fakten geschaffen: Es ist aktuell nicht einmal möglich, Autos mit synthetischen Kraftstoffen (CO2-bilanziell neutral!) zu betreiben, weil der Gesetzgeber untersagt, dass CO2-beim Verbrennen von Kraftstoffen von Autos ausgestoßen wird.
Für Drexler ist so eine Einschränkung schwer verständlich. „Ich muss doch bei jedem Mobilitätsprodukt einmal die CO2-Bilanz auf die Lebensdauer prüfen – und den Ressourceneinsatz in der Produktion. Daraus ergeben sich dann nachhaltige Ziele. Ich brauche keinen Adhoc-Batterie-Aktionismus, auch wenn vieles gut und richtig erscheinen mag. Was man für eine vernünftige Weiterentwicklung braucht, sind Technologieoffenheit, Forschung, Entwicklung und das Besinnen auf europäische Ingenieurstugenden. Nämlich, dass man ein Problem löst und nicht vorher alles regelt, dass man nachher gar nicht viel forschen muss. Wir sollten grundsätzlich offen bleiben, aber geeint im Ziel, die CO2-Emissionen zu verringern und Klimaneutralität zu erreichen.“
Drexler setzt auf Initiativen innerhalb der EU. „Da wird es 2022 Diskussionen geben. Wir bringen seitens des Ausschusses der Regionen und speziell der Vereinigung der Mobilitätsregionen gemeinsam mit Wissenschaft, Gewerkschaften und mit Industrie einen Input ein, um hier einen Weg der Technologieoffenheit zu finden. Aber offenen Geistes und nicht in batteriedogmatischer Enge.“
Didi Hubmann