Nach dem KV-Abschluss am Sonntag bei den Metallern mit plus 3,55 Prozent rücken nun die Kollektivvertragsverhandlungen im Handel in den Fokus. Seit 11 Uhr verhandeln am Donnerstag die Sozialpartner in der Wirtschaftskammer in Wien um die Gehälter von 415.000 Angestellten und 15.000 Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel.

Ein Abschluss in der dritten Runde ist eher unwahrscheinlich. Die Gewerkschaft hat bisher noch keine Gehaltsplus-Forderung auf den Tisch gelegt, die Arbeitgeber noch kein konkretes Angebot vorgelegt

Zentrale Forderung ist die nach einer besseren Abgeltung bei Mehr- und Nachtarbeit, unter anderem ein Nachtzuschlag von 50 Prozent zwischen 21 und 6 Uhr, Zuschläge ab der ersten Stunde Mehrarbeit und die Fälligkeit des Mehrarbeitszuschlags schon im Folgemonat in Zeit oder Geld. Nachtarbeit nimmt laut den Gewerkschaftsvertretern vor allem im Lebensmittelhandel immer mehr zu. „Die Dienste beginnen teilweise schon um 2 oder 3 Uhr früh. Seit 2019 hat die Nachtarbeit im Handel um  30 Prozent zugenommen", sagt die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Anita Palkovich von der GPA.

Für Lehrlinge wünscht sich die Gewerkschaft einen Digitalisierungsbonus in Höhe von 250 Euro, weil die Bundesregierung nur Schüler mit Laptops und Tablets ausstattet. Außerdem drängen die Arbeitnehmervertreter auf ein Recht auf Stundenerhöhung, wenn mehr als drei Monate lang regelmäßig Mehrstunden geleistet werden. Aufgrund der hohen Frauenquote im Handel – vor allem im Lebensmitteleinzelhandel – würden die Verbesserungen der Rahmenbedingungen besonders viele Frauen helfen, so die GPA-Wirtschaftsbereichssekretärin.

"Komplexes System an Zuschlägen zusammenräumen"

Für den Handelsverband bieten coronavirusbedingte Umsatzeinbrüche und die Beschaffungskrise „wenig finanziellen Spielraum für überbordende Gehaltserhöhungen“. Die Geschäfte im Handel würden derzeit noch höchst unterschiedlich laufen. „Wir haben die Situation, dass manche Branchen plus zehn Prozent haben im Vergleich zum Vorkrisenniveau und auch zum Vorjahr. Und der Modehandel ist da noch 20 Prozent unter 2019 im Halbjahr gewesen", sagt WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik.

Auch Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will kann die Forderungen der Gewerkschaft "schwer nachvollziehen, weil Überstunden von 20 bis 6 ohnehin mit einem Zuschlag von 100 Prozent, abgegolten werden".  Will heute im Ö1-Morgenjournal: "Wenn ich mich um 5 Uhr früh einteilen lasse, habe ich dafür ja zu Mittag frei und kann die Kinder abholen. Auch ein Bäcker weiß ja, wenn er den Beruf wählt, dass er früh aufstehen muss, aber am Nachmittag frei hat." Laut Will gibt es derzeit schon 80 verschiedene Regeln. "Das System ist derart komplex. Ich wünsche mir, dass die Gewerkschaft ihr Versprechen einlöst und diese Zuschläge zusammenräumt. Bevor man wieder neue erfindet."

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes: "Schon jetzt 80 verschiedene Zuschläge"
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes: "Schon jetzt 80 verschiedene Zuschläge" © KK

Kommt keine Einigung, wird am Freitag eine Betriebsrätekonferenz abgehalten.

Vergangenen Herbst hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft bereits in der ersten Verhandlungsrunde geeinigt. Die Gehälter und Lehrlingsentschädigungen stiegen per 1. Jänner 2021 um 1,5 Prozent. Das entsprach zum Zeitpunkt der Einigung der durchschnittlichen Teuerung der vergangenen zwölf Monate.