Laut einer Erhebung des SORA-Instituts im Auftrag des sozialliberalen Momentum-Instituts befinden sich neun von zehn befragten Arbeitslosen mit unter 1200 Euro monatlichem Einkommen klar unter der Armutsgrenze (laut 2020 erhobenen Daten aktuell bei 1328 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt). 97 Prozent müssen seit ihrem Job-Verlust mit weniger als 1400 Euro netto im Monat auskommen, ergab die repräsentative Befragung unter 1.214 arbeitslosen Personen.
Finanziell besonders hart trifft es demnach jene Menschen, die bereits vor ihrer Arbeitslosigkeit ein geringes Einkommen hatten: 63 Prozent der befragten Arbeitslosen verdienten im letzten Job weniger als 1400 Euro netto pro Monat. Die geringe Einkommensersatzrate des Arbeitslosengeldes (55 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens) ist besonders für Menschen mit schlecht bezahlten Jobs ein Problem, so Momentum-Leiterin Barbara Blaha in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
Auch die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen werden im Arbeitslosengeld deutlich. 52 Prozent der Frauen ohne Kind erhalten laut SORA-Erhebung ein Arbeitslosengeld von maximal 800 Euro pro Monat. Bei Männern ohne Kind sind es nur 30 Prozent. Noch deutlicher fällt der Unterschied bei Eltern aus: Während 55 Prozent aller Mütter maximal 800 Euro erhalten, sind es bei den Vätern nur 14 Prozent.
"Versagt als Existenzsicherung"
Auch weist die Erhebung laut Momentum darauf hin, dass das Arbeitslosengeld in vielen Fällen in seine Funktion der Existenzsicherung versage: Drei von vier befragten Arbeitslosen müssen auf weitere Strategien zur Existenzsicherung zurückgreifen. Mehr als die Hälfte aller Arbeitslosen (58 Prozent) braucht zusätzlich zum Arbeitslosengeld auch eigene Ersparnisse auf, sofern vorhanden. Andere sind auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen. Ein Viertel aller Arbeitslosen muss Freunde oder Familienmitglieder um Geld bitten. Als einen "wesentlichen Beitrag zur Existenzsicherung" würde Blaha eine Anhebung des Arbeitslosengelds auf mindestens 70 Prozent Nettoersatzrate ansehen.
Die Ursachen für die Armutsgefährdung findet man zum Teil aber bereits schon vor der Arbeitslosigkeit. In einigen Branchen seien die Löhne so gering, dass auch die Beschäftigten bereits als armutsgefährdet gelten. Besonders betroffen sind laut der Erhebung Beschäftigte im Produktions- und Dienstleistungssektor.
ÖGB fordert höheres Arbeitslosengeld
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sah durch die Studie den "dringenden Handlungsbedarf" bestätigt. "Da müssen wirklich alle Alarmglocken läuten", sagte er in einer Aussendung. "Das Arbeitslosengeld muss endlich erhöht werden! Die Erhöhung wäre schnell umsetzbar, treffsicher und nachhaltig", so der Präsident. Darüber hinaus würde der Konsum angekurbelt, "die Menschen hätten mehr Geld zum Ausgeben". Auch der ÖGB fordert eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Lohns bzw. Gehalts.
Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind diese "verheerenden Zahlen" eine "dramatische Folge der unsozialen türkis-grünen Politik", wie er in einer Aussendung sagte. "Während internationale Milliardenkonzerne wie McDonald"s in der Wirtschaftskrise massiv überfördert wurden, hat die türkis-grüne Regierung die Arbeitslosen mit Almosen abgespeist", so Deutsch, der an "dutzende abgelehnte Anträge der SPÖ" erinnerte, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des letzten Einkommens anzuheben. "Um der Welle der Armut entgegenzutreten, muss die Regierung jetzt endlich die Arbeitslosigkeit bekämpfen und nicht Arbeitslose." Einmal mehr forderte er Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und einen Mindestlohn von 1.700 Euro steuerfrei.