Am 5. Juli 1994 gründeten Jeff Bezos und seine damalige Ehefrau MacKenzie in einer Garage bei Seattle einen Online-Buchladen. Daraus entstand einer der größten und mächtigsten Konzerne der Welt: Amazon. Seitdem führt Bezos die Geschäfte des Unternehmens, doch nun ist Schluss. Auf den Tag genau 27 Jahre nach der Gründung von Amazon gibt der 57-Jährige den Posten als Vorstandschef an seinen langjährigen Kronprinzen Andy Jassy ab, der bisher die boomende Cloud-Sparte leitete.
Angesichts des Jubiläums sei es für ihn ein "sentimentaler" Termin, erklärte Bezos beim Aktionärstreffen im Mai. Wie geht es nun weiter für den Spitzenmanager, den sein Erfolg mit Amazon zum reichsten Menschen der Welt gemacht hat? Das nächste Großprojekt steht schon unmittelbar bevor. "Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, ins All zu reisen. Am 20. Juli werde ich diese Reise mit meinem Bruder unternehmen", kündigte Bezos im vergangenen Monat an.
Außerdem wird beim Flug mit der Rakete "New Shepard" von Bezos' Raumfahrtfirma Blue Origin ein bisher anonymer Passagier mit dabei sein, der das Ticket im Juni bei einer Auktion für 28 Millionen Dollar (23,5 Millionen Euro) ersteigerte. Seit dem Kindesalter brennt Bezos für die Raumfahrt. Seit Jahren schon bemüht er sich, Reisen ins Weltall auf die Beine zu stellen. Nun ist es bald endlich soweit, auch wenn der erste bemannte "New Shepard"-Flug nur rund zehn Minuten dauern soll.
Dass Bezos sich künftig ganz seiner Raumfahrt-Leidenschaft widmen wird, ist allerdings zu bezweifeln. Der Multimilliardär erklärte bereits, dass er durch seinen Rücktritt als Amazon-Vorstandschef nicht nur Zeit für Blue Origin, sondern auch für andere Projekte gewinnen wolle. Dazu zählen seine Stiftungen und die US-Tageszeitung "The Washington Post", die seit 2013 in seinem Privatbesitz ist. Doch auch bei Amazon dürfte sein Einfluss weiterhin groß bleiben.
Denn als geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrats, der dem Vorstand übergeordnet ist, bleibt Bezos beim weltgrößten Onlinehändler auch künftig der starke Mann im Hintergrund. Als Bezos im Februar seinen Rücktritt als Vorstandschef ankündigte, bemühte sich Amazon rasch, die Bedeutung herunterzuspielen. Der Konzerngründer werde auch in Zukunft "sehr involviert" bleiben - besonders bei großen Entscheidungen, sagte Finanzchef Brian Olsavsky.
Bezos: 168 Milliarden Euro "schwer"
Gegenüber den Mitarbeitern erklärte Bezos, dass es bei seiner Entscheidung nicht darum gehe, sich in den Ruhestand zu verabschieden. "Ich hatte noch nie mehr Energie." In seiner zukünftigen Rolle als Verwaltungsratschef wolle er seine Aufmerksamkeit auf neue Produkte und Initiativen ausrichten. Tatsächlich scheint es nach all den Jahren fast unmöglich, sich Amazon und Bezos getrennt voneinander vorzustellen.
Bezos entwickelte das Garagenprojekt von 1994 vom Online-Buchhandel zum größten Internetkaufhaus der Welt. Heute ist Amazon noch viel mehr als das und hält mit seinen Cloud-Services, die etwa Start-ups IT-Anwendungen und Speicherplatz im Netz bieten, unzählige Firmen am Laufen. Der Konzern hat zudem eine eigene US-Supermarktkette und Streaming-Services. Mit dem Aufbau einer eigenen Lieferlogistik setzt Amazon Paketzusteller wie UPS, Fedex und DHL unter Druck - und niemand weiß, welche Branchen als nächstes drankommen.
Bezos machte Amazons Erfolg als Großaktionär steinreich. Trotz einer teuren Scheidung von seiner Ex-Frau MacKenzie im Jahr 2019 ist sein Vermögen in den vergangenen Jahren weiter gewachsen. Aktuell ist Bezos mit geschätzten fast 200 Milliarden Dollar (rund 168 Milliarden Euro) laut "Forbes" der reichste Mensch der Welt. An der Börse hatte Amazon wegen chronisch roter Zahlen lange Zeit einen schweren Stand. Doch seit Bezos zuverlässig Gewinne liefert, ist er zum Liebling der Wall Street geworden. Im September 2018 gelang es Amazon als zweiter Aktiengesellschaft nach dem iPhone-Riesen Apple, die magische Marke von einer Billion Dollar beim Börsenwert zu knacken.
Geliebt an der Börse, gehasst von Gewerkschaften
Zuletzt lag Amazons Marktkapitalisierung bei enormen 1,7 Billionen Dollar. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Aktienkurs um fast 30 Prozent gestiegen. Weniger beliebt als bei Anlegern ist der Bezos-Konzern bei Gewerkschaften. Die Arbeitsbedingungen sind seit Jahren ein Streitthema. In der Pandemie geriet Amazon wegen angeblich unzureichenden Schutzes seiner Beschäftigten in den USA unter Druck. Das streitet das Unternehmen zwar ab, räumte jedoch andere Peinlichkeiten ein, etwa dass Lieferfahrer aus Zeitnot mitunter in Flaschen pinkeln. Auch in Deutschland gibt es einen festgefahrenen Gewerkschaftskonflikt, seit 2013 kommt es immer wieder zu Streiks.
Amazons größter Profittreiber ist aber nicht mehr der Onlinehandel, sondern das Cloud-Geschäft mit IT-Services und Speicherplatz im Internet. Insofern ist es auch nur logisch, dass mit Andy Jassy der Leiter dieser Sparte zum künftigen Vorstandschef befördert wurde. Amazons Cloud-Plattform AWS, die von vielen Unternehmen und Apps genutzt wird, steigerte den Umsatz im jüngsten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast ein Drittel auf 13,5 Milliarden Dollar und das Betriebsergebnis um über 35 Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar. Damit lieferte AWS zuletzt fast die Hälfte des Konzerngewinns von Amazon.