Nach der Mehrheitsübernahme durch den steirischen Sensorhersteller ams ist beim deutschen Lichtkonzern Osram einiges im Wandel. Sowohl personell als auch operativ sind Weichenstellungen erfolgt, um das in den vergangenen Jahren tief in die Krise gerutschte Traditionsunternehmen aus München wieder dauerhaft in die Spur zu bringen. Dennoch scheint weiterhin offen, wie es mit Osram nach dem Verlust der Eigenständigkeit weitergeht.
Das ist los im Unternehmen:
Osram hatte sowohl 2019 als auch 2020 mit erheblichen Problemen zu kämpfen und schrieb unter dem Strich jeweils tiefrote Zahlen. Inzwischen aber gibt sich der Leuchtenhersteller mit Blick auf 2021 wieder optimistischer. So zog die lange Zeit schwache Nachfrage aus der Autoindustrie wieder an, und auch die Geschäfte mit der Elektronikbranche liefen wieder besser. Der Start ins neue, seit Anfang Oktober laufende Geschäftsjahr gestaltete sich positiv, und Osram wagte bereits eine Erhöhung seiner Prognose. So sollen sowohl der Umsatz als auch die bereinigte Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im Vergleich zum Vorjahr deutlich zulegen.
Die unerwartet rasche Erholung im Geschäft mit der Autoindustrie und die positive Entwicklung in der Halbleitersparte Opto Semiconductors lassen Osram nach einer langen Phase im Dauerkrisen-Modus nun zuversichtlicher nach vorne schauen. Zumal der Lichtkonzern im ersten Geschäftsquartal zumindest einen kleinen Nettogewinn verbuchen konnte. Der Konzern setzt darauf, dass es im Jahresverlauf zu keinen weiteren erheblichen Einschränkungen durch die Coronakrise kommt, die Osram im vergangenen Jahr stark belastet hatte. Bereits vor 2020 hatte das Unternehmen mit der anhaltend schwachen Autokonjunktur und schwachen Geschäften mit Smartphone-Herstellern zu kämpfen.
Der Konzern steckt mitten in einem großen Spar- und Umbauprogramm und war im vergangenen Jahr trotz der Krise nach einer langen Hängepartie von ams übernommen worden. Der Apple-Zulieferer aus der Steiermark ist zwar kleiner als Osram, die Geschäfte der Österreicher liefen zuletzt aber deutlich besser. ams-Chef Alexander Everke will zusammen mit Osram einen europäischen Weltmarktführer für Sensoriklösungen und Photonik schmieden und den Leuchtenkonzern wieder dauerhaft in die Gewinnzone zurückführen.
Vor wenigen Wochen vermeldeten ams und Osram, dass der zwischen beiden Unternehmen geschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kurzfristig eingetragen und damit wirksam werden kann. Zuvor war dies durch Klagen verhindert worden, nachdem der Vertrag im November von einer außerordentlichen Hauptversammlung beschlossen worden war.
An der Osram-Konzernspitze nahm der bisherige Chef Olaf Berlien Ende Februar seinen Hut und machte Platz für seinen Nachfolger Ingo Bank. Der Manager war früher Finanzchef bei Osram und ist in gleicher Funktion nun für ams tätig. Der Schritt ist ein weiteres Signal dafür, dass ams-Chef Everke beide Unternehmen möglichst eng verzahnen und Osram an ams angleichen will. Dafür spricht auch die geplante Anpassung des Geschäftsjahrs von Osram an das Kalenderjahr: Ab 2022 marschiert die frühere Siemens-Tochter damit im Gleichschritt mit ihrer neuen Mutter ams. Zudem sitzt mit Thomas Stockmeier mittlerweile auch ein ams-Vertreter an der Spitze des Osram-Aufsichtsrats.
Der Osram-Betriebsrat und die IG Metall hatten immer wieder Befürchtungen geäußert, dass ams bei Osram durchregieren und die Übernahme mit einer Zerschlagung des Unternehmens und einem Stellenabbau einhergehen könnte. Die Sorgen in der Belegschaft drehen sich insbesondere darum, dass sich ams von Bereichen bei Osram trennen könnte. Vor allem rund um den großen Automotive-Bereich gab es immer wieder Spekulationen, die ams aber stets dementiert hat. Im Raum steht laut Insidern auch immer noch eine Trennung von der Digitalsparte. Zuletzt hatte Osram den Verkauf des Geschäfts mit Elektronik und Vorschaltgeräten angekündigt, um die Sparte neu aufzustellen.
Das sagen die Analysten:
Seit die ams-Mehrheitsübernahme unter Dach und Fach ist, beschäftigen sich nur noch vergleichsweise wenig Analysten umfassend mit Osram. Einer davon ist Wolfgang Donie. Der Experte von der NordLB attestiert dem Lichtkonzern ein unerwartet starkes erstes Quartal. Die Ergebnissteigerung bei vergleichbarem Umsatzniveau sei das Resultat der Umbau- und Sparmaßnahmen. Vor dem Hintergrund des deutlich über dem Abfindungsangebot von ams notierenden Kurses empfiehlt Donie aber weiterhin einen Verkauf der Osram-Aktien.
Aus Sicht von Sven Diermeier vom Analysehaus Independent Research haben die Aktien mit Inkrafttreten des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags und der dabei vereinbarten jährlichen Ausgleichszahlung von brutto 2,57 Euro je Aktie nun den Charakter einer Anleihe mit unendlicher Laufzeit. Entscheidend werde vor allem die finanzielle Situation des gesamten ams-Konzerns und das Zinsniveau sein. Steigende Zinsen schmälerten dabei die Attraktivität der Ausgleichszahlungen, so der Experte.
Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit weiterer Aktienzukäufe beziehungsweise eines neuen attraktiven Übernahmeangebots seitens ams, um die Squeeze-Out-Schwelle zum Herausdrängen der verbliebenen Osram-Aktionäre zu erreichen. Diermeier spricht vor allem mit Blick auf die Marge im ersten Quartal von starken Daten und rät zum Halten der Aktie.
Auch Sebastian Growe von der Commerzbank bezeichnet die Ergebnisse des ersten Quartals als ermutigend. So sei die Zuversicht für das Autozuliefer- und Halbleitergeschäft wieder gestiegen und das Digitalgeschäft kurz vor der Gewinnschwelle, urteilt der Analyst. Die angehobenen Jahresziele sind Growes Ansicht nach immer noch konservativ. Mit einem Kursziel von 80 Euro hat er das höchste der acht Experten, die aktuell von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfasst sind. Er begründete dies unter anderem mit den jährlichen Ausgleichszahlungen.
Laut Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgan verfügt ams unterdessen über verschiedene Hebel, um sowohl das Ergebnis als auch den freien Barmittelzufluss von Osram zu verbessern. So könnte der Konzern nicht nur von der wieder anziehenden Nachfrage im Autogeschäft profitieren, sondern sich auch von weniger profitablen Geschäftsfeldern und solchen Bereichen trennen, die nur wenig zu den strategischen Zielen von ams passten.
Das macht die Aktie:
Die lange Zeit im Index der mittelgroßen Unternehmen MDax notierte Osram-Aktie ist frisch in den Nebenwerteindex SDax abgestiegen. Zudem hat Osram bei der Frankfurter Wertpapierbörse den Wechsel des Börsensegments vom Prime Standard in den General Standard beantragt, um den Kostenaufwand zu reduzieren und Prozesse zu vereinfachen. Am Kapitalmarkt kursierende Gerüchte, wonach ams den kompletten Rückzug von Osram von der Börse beabsichtige, haben sich dagegen bisher nicht bestätigt.
2020 war die Aktie im Zuge des Coronacrashes bis Mitte März um fast 60 Prozent auf das Rekordtief von 20,50 Euro abgestürzt, nachdem die Papiere noch Mitte Februar rund 48 Euro wert waren. Neben der allgemein grassierenden Panik an den Aktienmärkten kam bei Osrams Sturzflug aber noch ein weiterer wichtiger Grund hinzu: Investoren waren im vergangenen Frühjahr in großer Sorge, ob die von ams damals beabsichtigte Übernahme überhaupt erfolgreich sein würde. Schließlich waren auch die an der Schweizer Börse in Zürich gelisteten Papiere der Österreicher wegen des Pandemie-Ausbruchs zwischenzeitlich abgerutscht. Zudem musste Osram wegen der Krise seine ursprüngliche Jahresprognose streichen.
Im Anschluss ging es für die Osram-Aktie aber wieder deutlich und vor allem kontinuierlich bergauf. Nach dem Coronatief Mitte März 2020 kletterte das Papier bis Mitte September wieder auf fast 45 Euro und hatte seine Verluste damit schon fast komplett wieder wettgemacht. Der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit ams bescherte den Titeln dann sogar einen Sprung auf mehr als 50 Euro. Seit Anfang Oktober pendelt die Aktie nun zwischen 50 und 52 Euro. Kurse um die 50-Euro-Marke hatte Osram zuletzt Mitte 2018 erreicht. Damit hat die Osram Aktie seit ihrem Crash-Tief von Mitte März 2020 um mehr 150 Prozent zugelegt.
Auf längere Sicht sieht es aber deutlich schlechter aus: In den zurückliegenden drei Jahren haben die Titel fast ein Fünftel eingebüßt, und auch das Anfang 2018 erreichte Rekordhoch von 79,58 Euro ist noch weit entfernt. Für die Siemens-Aktionäre, die das Papier 2013 durch die Abspaltung erhalten haben, hat sich die Sache aber gelohnt - der erste Kurs lag damals mit 24 Euro deutlich unter dem aktuellen Niveau. Osram kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von rund fünf Mrd. Euro. Damit liegt der Lichtkonzern in Sachen Börsenwert im Index der kleineren Unternehmen im Spitzenfeld. Nach der ams-Übernahme liegt der Streubesitz aber nur noch bei etwa 30 Prozent.