Der Faserkonzern Lenzing ist in einen veritablen Skandal verwickelt. Gegen die Masken-Tochter Hygiene Austria, ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Wäschehersteller Palmers, wird wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Schwarzarbeit ermittelt. Viel wusste Lenzing offenbar nicht. "Am 3. März haben wir erstmalig von der Hausdurchsuchung bei Hygiene Austria und vermuteten Gesetzesverstößen erfahren", sagte Technikvorstand Stephan Sielaff am Donnerstag bei einem Pressegespräch.

Sielaff ist bei Lenzing nun dafür zuständig, die Vorfälle rund um das Debakel aufzuarbeiten, nachdem Stephan Trubrich als Geschäftsführer des Joint Ventures abberufen wurde. Von zugekauften Masken in China oder Schwarzarbeit habe man nichts gewusst. Zahlreiche Journalistenfragen ließ der Manager unbeantwortet. "Lassen Sie uns bitte erst die Arbeit machen und dann werden wir in aller Klarheit über die Konsequenzen sprechen. Ich arbeite mit all meiner Energie rund um die Uhr daran", betonte Sielaff mehrfach.

Auch Stefan Doboczky "wusste von nichts"

Auch Lenzing-Chef Stefan Doboczky wusste laut heutigen Aussagen von nichts. "Das Bild, das sich in den letzten Tagen gezeigt hat, empfinde ich zutiefst verstörend", sagte Doboczky. "Lenzing ist nicht Hygiene Austria. Aber Lenzing ist selbstverständlich gefordert, in der Aufarbeitung einen Beitrag zu leisten und das werden wir auch tun", war der CEO um Schadensbegrenzung bemüht.

Der Weltkonzern mit mehr als 7000 Mitarbeitern hat nun ein "gewaltiges Imageproblem", räumte Sielaff ein. Die Aktien von Lenzing waren an der Wiener Börse zuletzt stark unter Druck geraten. Anleger reagierten verschreckt auf den Masken-Skandal und schickten die Aktie auf Talfahrt. In der Spitze verloren die Lenzing-Papiere gut 10 Prozent. Auch am Donnerstag reagierte die Aktie auf die Zahlenvorlage mit einem deutlichen Kursverlust von 3,6 Prozent. Doch beim Pressegespräch waren die Zahlen nicht im Fokus.

Das Versprechen, Masken "Made in Austria" zu produzieren, sei offenbar nicht durchgehend gewährleistet worden, sagte Sielaff. Der verbliebene Geschäftsführer Tino Wieser vom Minderheitsgesellschafter Palmers gab zu, einen Teil der Masken aus China bezogen zu haben. "Wir wollten einen positiven Beitrag zum Schutz der österreichischen Bevölkerung leisten. Alle waren bis vor wenigen Tagen unheimlich stolz auf Hygiene Austria", sagte Lenzing-Vorstandschef Doboczky. Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass die Masken, unabhängig vom Herkunftsort, dem FFP2-Standard entsprechen würden.

Ökonomisch wenig bedeutend

Die wirtschaftliche Bedeutung der Hygiene Austria hält sich für einen Milliardenkonzern wie Lenzing in Grenzen. Der Faserhersteller hat die Hygiene Austria per Jahresende 2020 mit einem Wert von 4,5 Millionen Euro in den Büchern. Im Geschäftsjahr 2020 hat die Maskentochter laut Geschäftsbericht ein langfristiges, ungesichertes Darlehen in Höhe von 2 Millionen Euro von Lenzing erhalten. Außerdem gibt es eine Garantie gegenüber einem Lieferanten bis maximal 1 Million Euro.

Außer Spesen nichts gewesen?

Außer Spesen ist für Lenzing derzeit nichts gewesen. "Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine Gewinnausschüttung der Hygiene Austria in Richtung Lenzing", sagte Sielaff. Was Lenzing mit seiner Beteiligung nun macht, ließ Krisenmanager Sielaff offen. "Wir müssen erst verstehen, was passiert ist. Was sind die Ergebnisse der Forensik." Auch etwaige Managementfehler seien Teil der Untersuchung. Trubrich sei von seinen Agenden im Moment befreit.

Mehrfach tauchte bei dem Pressegespräch die Frage auf, wie es sein kann, dass Lenzing von den Vorgängen nichts gewusst hat. Dazu müsse man das Konstrukt kennen, sagte Sielaff. Wichtige Prozesse seien bei Palmers gewesen, Daten in deren Räume, zu denen Lenzing keinen Zugang gehabt hätte. Lenzing habe sofort, nachdem man von den Hausdurchsuchungen erfahren habe, ein Team vor Ort geschickt. Das Unternehmen hatte zuvor noch die Absicht gehabt, die Maskenfirma ganz zu übernehmen. "Aber innerhalb weniger Tage wurde klar, dass die Situation vor Ort, aufgrund mangelnder Dokumentation, nicht erlaubt hätte, die Firma zu übernehmen", so Sielaff.

Lenzing bringt Technologieerfahrung im Hygienebereich ein

Lenzing hält mit 50,1 Prozent die Mehrheit an Hygiene Austria. Bereits zu Wochenbeginn kündigte das Unternehmen an, einen Wirtschaftstreuhänder mit der Verwaltung der Hygiene-Austria-Anteile zu betrauen. Bei der Gründung des Joint Ventures im April 2020 wurde die Aufgabenverteilung zwischen Lenzing und Palmers von Palmers-Vorstand Luca Wieser so geschildert: "Wir haben langjährige Erfahrung in der Herstellung und im Vertrieb von Textilprodukten, Lenzing bringt ihre Technologieerfahrung im Hygienebereich, das Know-how bzgl. Beschaffung und Rohmaterial und Wissen im Bereich Anlagenbau mit ein."

Das Versprechen, Masken "Made in Austria" zu produzieren, sei offenbar nicht durchgehend gewährleistet worden, sagte Sielaff. Der verbliebene Geschäftsführer Tino Wieser vom Minderheitsgesellschafter Palmers gab zu, einen Teil der Masken aus China bezogen zu haben. "Wir wollten einen positiven Beitrag zum Schutz der österreichischen Bevölkerung leisten. Alle waren bis vor wenigen Tagen unheimlich stolz auf Hygiene Austria", sagte Lenzing-Vorstandschef Doboczky. Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass die Masken, unabhängig vom Herkunftsort, dem FFP2-Standard entsprechen würden.