Palmers und Lenzing sind nicht irgendwer in Österreich, weder als Glücksritter noch im Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften bekannt. Mit dem Hygiene Austria-Joint Venture haben sich nun der große Faserhersteller und der bekannte Wäscheproduzent eine Blöße gegeben, die viele zuvor wohl kaum für vorstellbar gehalten hätten: Auf 17 chinesische Masken, die "Hygiene Austria" mit dem Label "Made in Austria" vermarktete, sollen gerade einmal drei aus Österreich gekommen sein. Freilich weisen beide Unternehmen jegliche Betrugs- und Schwarzarbeitsvorwürfe weit von sich.
Keinerlei Unschuldsvermutung gilt bei der Bewertung des eingetretenen Imageschadens, der beide Unternehmen bis in ihre Fundamente hinein trifft. Längst ist auch die Partnerschaft der beiden Firmeneigner tief zerrüttet und von Misstrauen und gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Noch letzte Woche wollte die börsennotierte Lenzing AG, die eine hauchdünne Mehrheit von 50,1 Prozent an Hygiene Austria hält, in Absprache mit dem Miteigentümer das Management an sich ziehen und versprach, die unappetitliche Affäre restlos aufzuklären. Nur Tage später folgt das Eingeständnis des Scheiterns: Man sieht sich dazu außerstande - auf offener Bühne wurde das Scheitern der Masken-Ehe eingeräumt. Die Maske ist also ab. Die Scheidung zwischen Palmers und Lenzing ist noch nicht vollzogen, aber angebahnt.
Der Schaden, das ist gewiss, ist enorm. Nicht nur das Ansehen der Firmengrößen leidet, auch Zweifel an deren Management werden so genährt. Wer hatte eigentlich ein Auge auf die mutmaßlichen Verfehlungen in der fehlgeleiteten Tochter? Niemand? "Das Unternehmen Hygiene Austria wurde im April 2020 von den beiden Traditionsunternehmen Lenzing AG und Palmers Textil AG gegründet, um durch eine heimische Produktion die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit hochqualitativen Schutzmasken während und nach der COVID-19-Pandemie sicherzustellen", hieß es in einer Aussendung am 21. Jänner 2021. Es sind die Mütterunternehmen, die öffentlich und stolz Pate standen für eine Tochter, deren mutmaßliche Machenschaften nun einen dunklen Schatten auf Palmers und Lenzing selbst werfen.
Das Scheitern des Versuchs Lenzings, für Ordnung zu sorgen, verschärft die Dramatik weiter. Statt sich gemeinsam hinzustellen, 100-prozentige Transparenz walten lassen, und alle Karten auf den Tisch zu legen, wird nun taktiert und abgeschottet und das bekannte Spiel gespielt: Der Schwarze Peter soll dem jeweils anderen zugeschoben werden.
Wenn die Politik jetzt in dieser Affäre bereits zwischen "Guten" und "Bösen" unterscheiden will, wie es SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried tut, dann ist das Kalkül klar - die enge Verbindung zwischen Palmers und Kanzler Kurz ist ebenso bekannt wie pikant. Sich als Mehrheitseigentümer (Lenzing) am kleineren Partner (Palmers) abzuputzen mag politisch opportun sein. Antwort auf die Frage, wo die Aufsichtspflicht der Lenzing AG über all die Monate blieb, liefert diese Aktion aber nicht.
Dabei wäre jetzt die Chance, Restbestände an Glaubwürdigkeit zu sichern. Denn Palmers und der Weltkonzern Lenzing sind schließlich nicht irgendwer in Österreich - sie sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden.