Bei der Entwicklung der Internetwirtschaft traf eine blitzschnell voranschreitende Technologie auf Gesetze, die dafür schlicht nie ausgelegt waren. Das führte dazu, dass in weiten Teilen des Internets bisher gewissermaßen das Recht des Stärkeren gilt.
Das will die EU nun mit zwei Gesetzen ändern: dem sogenannten Digital Services Act, kurz DSA, ein Gesetz für digitale Dienstleistungen sowie einem Gesetzesvorschlag zur Marktkontrolle, Digital Markets Act, DMA.
Was verbirgt sich dahinter? Grob gesagt soll dadurch einerseits die Marktmacht von Tech-Gigantenbeschnitten und andererseits für mehr Fairness auf dem digitalen Markt gesorgt werden. „Wir brauchen eine große Reform des digitalen Raums“, erklärte EU-Industriekommissar Thierry Breton. Und das bedeute: „Harmonisierte Regeln, Vorabverpflichtungen, bessere Überwachung und abschreckende Sanktionen.“
Wechsel zwischen Diensten ermöglichen
Ein zentraler Bestandteil des DSA ist etwa, die Verpflichtung zur Interoperabilität. „Es ist heute beispielsweise nicht möglich, mit meinen ganzen Chat-Inhalten von WhatsApp zur App Signal zu wechseln, wo die Daten viel sicherer sind“, erklärt Alan Dahi von der Datenschutzorganisation NOYB.
"Digitale Brücken" bauen
Plattformen könnten nun verpflichtet werden, hier digitale Brücken zu bauen, um dem Nutzer die Möglichkeit einzuräumen, Chats, Fotos und Videos von einem Dienst zum anderen zu übertragen. Breton: „Das ist die Grundlage für die Regulierung von Plattformen aller Art und daran können wir heute und in den kommenden Jahren spezifische Gesetze und Auflagen andocken.“ DSA soll den Anbietern u. a. auch vorschreiben, gegen Hass- und Falschnachrichten,terroristische Inhalte oder den Verkauf gefälschter Produkte vorzugehen. Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, eine zuständige Behörde zu benennen, mit der die Unternehmen eng zusammenarbeiten müssen.
Marktmacht einschränken
Im DMA hingegen geht es weniger um die Dienste der Plattformen, sondern um ihre Marktmacht, die eingeschränkt werden soll. In den vergangenen Jahren sind Amazon, Facebook und Google zu riesigen Konzernen mit enormem Einfluss gewachsen. Und die EU versuchte auch, die Oberhand zu behalten. So verhängte die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin Margarethe Vestager wiederholt Milliardenstrafen. Die Dänin führte auch gestern bei der Präsentation aus, dass die Größe dieser Unternehmen problematisch sei, weil sie anderen ihre Regeln diktieren könnten.
Das Problem: Wettbewerbsstrafen werden erst nach jahrelanger Untersuchung verhängt. Jahre, in denen mögliche neue Mitbewerber keine Chance haben, mit den IT-Riesen zu konkurrieren. Im DMA soll ein neues Werkzeug eingeführt werden, das greift, bevor bestimmte Märkte kippen – die Macht eines einzelnen Unternehmens also unkontrollierbar wird.
Eigene Software nicht bevorzugen
Dieses Marktkontrollgesetz soll u. a. unterbinden, dass Betriebssysteme die Software-Lösungen der eigenen Konzerne bevorzugen. Microsoft oder Google müssten dann ermöglichen, dass Software und Apps von Drittanbietern auf Windows-Computern oder Android-Smartphones genauso gut funktionieren wie die Standard-Anwendungen. Bei Verstößen drohen demnach Strafen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes.
Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck begrüßt die EU-Initiative. „Klare Regelungen werden insbesondere unseren KMU helfen. Nur dadurch bekommen österreichische innovative Unternehmen die Möglichkeit, große Akteure herauszufordern und global zu wachsen."
Roman Vilgut