Einmal kein Jahr der Rekorde, aber auch kein Katastrophenjahr für den Chiphersteller Infineon Austria: „Es war ein herausforderndes Geschäftsjahr, und wir haben uns gut geschlagen“, zieht Infineon-Austria-Chefin Sabine Herlitschka Bilanz über das Geschäftsjahr 2019/20.
Die Corona-Schrammen sind aber nicht zu übersehen: Bei einem praktisch unveränderten Umsatz von 3,1 Milliarden Euro macht die Österreich-Tochter des deutschen börsennotierten Infineon-Konzerns mehr als ein Drittel weniger (Vorsteuer-) Gewinn, er ist auf 196 Millionen Euro nach 306 Millionen eingebrochen. Wichtigste Ursache dafür: Zu gering ausgelastete Maschinen, „Leerkosten“.
Bis Ende Juli hatte Infineon für 1500 Mitarbeiter Kurzarbeit genutzt, sogar die Leiharbeiter wurden so gehalten und nicht einfach abgebaut. Erstmals seit vielen Jahren wurde dennoch weniger Personal beschäftigt. Der Rückgang um zwei Prozent auf 4517 Mitarbeiter - davon sind 3700 in Villach - sei niedriger als die natürliche Fluktuation, betont Finanzchef Oliver Heinrich. Bei den Neueinstellungen sei man sehr vorsichtig gewesen, so Herlitschka.
„Unser Geschäftsmodell ist robust“, ist sie überzeugt. Die Wachstumstreiber seien intakt. Alle Sparten sollen vom aktuellen Digitalisierungsschub infolge der Pandemie profitieren. Neuste Entwicklung ist etwa ein Chip, der in der Luft die CO2- und Aerosol-Konzentration messen kann.
"Chancen, die sich ergeben, massiv nutzen"
Dass Infineon bei Halbleitern in der Elektromobilität, in der der Leistungselektronik speziell bei Energieeffizienz-Lösungen und bei Sicherheitschips nach eigenen Angaben inzwischen weltweit die Nummer Eins gemessen an den Marktanteilen ist, macht den Vorstand zuversichtlich. In Zahlen gießt der Vorstand seine Erwartungen für heuer aber nicht. Zu groß sind die Unsicherheiten, bevor die Corona-Pandemie nicht endgültig überwunden ist. In Villach werde man aber vor Weihnachten wieder 100 Prozent Kapazitätsauslastung erreichen, aktuell liegt sie zwischen 90 und 95 Prozent. „Wir werden die Chancen, die sich aus so einer Krise massiv ergeben, auch massiv nutzen,“ so Herlitschka.
Die größte Rolle spielt dabei die neue Villacher Mega-Fabrik für 300mm-Dünnwafer. Die Herzstücke des gigantischen Neubaus - riesige, auf zwei Stockwerken übereinander liegende Reinräume - sind fast bezugsfertig für die neuen Produktionsstraßen, in denen später bis zu 800 Mitarbeiter Platz haben.
Laut Technik-Vorstand Thomas Reisinger werden in wenigen Monaten die Anlagen installiert. Laufen soll die Produktion dann Ende 2021. Der Markt dürfte sich bis dahin vollends erholt haben, so die stille Hoffnung bei Infineon. Reisinger: „Der Start kommt zum richtigen Zeitpunkt.“ 1260 Jobs sollen die Wafer-Fabrik und das neue Forschungszentrum künftig bringen, die Hälfte der neuen Mitarbeiter ist bereits an Bord.
CO2-Neutralität als Nahziel
Spannend, wie modernste Industrie heute funktioniert: Die neue Chipfabrik ist virtuell komplett mit der 300mm-Wafer-Fertigung in Dresden verbunden. Beide werden über gleiche Prozesse gesteuert. Im Infineon-Konzern sieht man die zwei Standbeine als eine einzige virtuelle Fabrik. „Das bringt uns Synergien,“ so Reisinger. In der Wafer-Fertigung benötigter Wasserstoff wird dann selbst produziert statt per Lkw aus Ostdeutschland gebracht. Von der geplanten Wasserstoff-Rückgewinnung soll auch das Land profitieren, so könnten Busse betrieben werden.
Dieses Projekt ist Teil eines Maßnahmenbündels, mit dem Infineon weitgehend 2025, spätestens aber 2030 CO2-Neutralität erreichen will. Schon jetzt ist Herlitschka stolz: „8,5 Milliarden Chips haben für neun Millionen Tonnen CO2-Ersparnis gesorgt.“ Infineon-intern sollen Wärme und Kälte viel besser genutzt werden. Um das Maximum herauszuholen, wurde etwa für das neue Forschungslabor ein virtueller Zwilling für Simulationen geschaffen.
Claudia Haase