Kärntens Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr um mindestens 8 bis 9 Prozent einbrechen, die Insolvenzwelle kleine und mittlere Unternehmen vor allem im Tourismus schwer treffen und die Arbeitslosigkeit weiter steigen: Mit diesen unerfreulichen Aussichten geht Kärnten laut einer Konjunkturumfrage des Joanneum Research unter Betriebsräten in die letzten zwei Monate des Jahres 2020.
Erholung verzögert sich weiter
Auch die erhoffte Erholung werde sich weiter verzögern, vor allem wegen des erneuten Lockdown: "Der Aufschwung wird viel langsamer kommen und weniger stark ausfallen, die Effekte auf den Arbeitsmarkt daher viel deutlicher sein", erklärt Studienautor Eric Kirschner. Die Umfrage erfolgte im Auftrag der Kärntner Arbeiterkammer.
In fast allen Bereichen der Kärntner Wirtschaft gehe die Auftragslage zurück, lediglich Bereiche des Handels - der Lebensmittel und Baumärkte - melden steigende Nachfrage.
Betroffenheit extrem unterschiedlich
Die Betroffenheit am Arbeitsmarkt ist extrem unterschiedlich, so Kirschner: Bei Jungen sinke die Arbeitslosigkeit sogar. Hingegen sind vor allem ältere und Langzeit-Arbeitslose besonders von der Krise betroffen. Die Arbeitslosigkeit droht sich zudem massiv zu verfestigen. Diese Entwicklung "wird uns noch zwei, drei Jahre begleiten", so Kirschner.
Österreich stecke in der tiefsten Rezession seit der großen Depression in den 1930er-Jahren: "So etwas kennen wir bisher nicht." Die Folge werden deutliche strukturelle Veränderungen sein. Der digitale Wandel werde noch deutlich beschleunigt. "Es wird neue Stellen geben, aber es sind andere Jobs. Neue Jobs werden im urbanen Umfeld und in den Industrieregionen geschaffen", so Kirschner.
Das führe zu einem überraschenden Spannungsfeld: Viele Kärntner Unternehmen wollen nicht nur Beschäftigte reduzieren, sondern sehr wohl auch Personal aufbauen. Kirschner: "Es wird Personal gesucht, aber spezifisches Personal. Der Fachkräftemangel wird durch Krise nicht entschärft - ganz im Gegenteil, Kärntner Betriebe suchen weiter nach Humankapital." Rund ein Drittel der von Joanneum Research befragten Betrieb gibt an, offene Stellen nicht besetzen zu kommen, 47 Prozent sagen, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. Dieses Spannungsfeld zwischen Verlierern am Arbeitsmarkt und gefragten qualifizierten Personen werde immer problematischer.
Handlungsfelder für die Politik
Joanneum Research beschreibt eine Reihe von Handlungsfeldern für Kärnten. Die Aktivierung der brachliegenden Erwerbspotenziale sowie spezielle Maßnahmen für "Verlierer" am Arbeitsmarkt. Aber auch Maßnahmen zur Steigerung der Liquidität der Unternehmen, um deren Resilienz und Eigenkapitalausstattung zu verbessern seien zentral, so der Experte. Auch müsse die Erreichbarkeit und Mobilität in ganz Kärnten gefördert sowie der öffentliche Verkehr und das Breitband in der Peripherie ausgebaut werden.
"Arbeitsplätze für Menschen über 45 schaffen"
AK-Präsident Günther Goach schließt sich mit einer Reihe von Forderungen an - etwa nach einem zweiten und dritten Arbeitsmarkt, Instrumente für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, eine Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld, die Förderung von Erreichbarkeit und Mobilität für Kärntner Arbeitnehmer. Goach fordert auch die Schaffung gemeinnütziger und kommunaler Arbeitsplätze für Menschen über 45, die länger als zwei Jahre arbeitslos waren sowie Investitionen in zukunfts- und systemrelevante Wirtschaftsbereiche.