Die Finanzmarktaufsicht erwartet, dass jeder vierte gestundete Bankkredit kaputtgeht. Glauben Sie das auch?
PETER BOSEK: Ich schätze FMA-Vorstand Helmut Ettl sehr, widerspreche ihm nicht, bin nur etwas optimistischer. Wir haben uns bei der Vergabe der Garantien ja Mühe gegeben, alles geprüft. In Bezug auf unser Kreditrisiko hatten wir ursprünglich erwartet, dass es schon im Herbst ansteigen wird, dafür hatten wir vorgesorgt. Aus jetziger Sicht dürfte das aber erst 2021 schlagend werden.
Weil viele der Hilfen verlängert werden. Und dann?
Möglichst viel nach hinten zu schieben, ist politisch völlig nachvollziehbar. Sicher sehe ich mit Sorge, dass wir in Österreich wahrscheinlich drei Milliarden Euro auf der Krankenversicherungsseite und rund sieben Milliarden auf der Steuerseite vor uns herschieben. Wenn das noch einmal sechs Monate dauert oder ein weiteres Jahr, dann machen Beträge von 20, 30 Milliarden schon Kopfzerbrechen. Zumal es nicht den Knopf geben wird, auf den alle Unternehmer gleichzeitig drücken können, um das einmal eben zu überweisen.
Kritik an einer verschleppten Insolvenzwelle gibt es genug.
Was so eine Welle auch mental für ein Land bedeutet! So weit dürfen wir es nicht kommen lassen. Das ist jetzt keine Aufforderung an die Politik, sondern an die Wirtschaft selbst. Wir müssen Initiativen anreißen, wie wir das Land weiterbringen können, wie es in fünf Jahren aussehen soll. Wir sollten uns branchenübergreifend zusammensetzen, überlegen, was die Bereiche sind, die das Land nachhaltig stärker machen. Gute Bildung war immer ein Wettbewerbsvorteil. In der Medizin haben wir ganz große Stärken und man könnte auch noch sehr viel mehr auf der Infrastrukturseite machen. Allein eine Bahnverbindung Wien–Bratislava würde den Wirtschaftsraum hier sehr stärken.
Also lieber noch weiter sehr viel Geld in die Hand nehmen?
Das muss ja nicht überall die öffentliche Hand machen. Es gibt sehr viel Liquidität, die nach neuer Veranlagung sucht. Damit könnte man Initiativen setzen, die Menschen jetzt mental voranziehen.
Denken Sie an einen Fonds – vielleicht nach dem Muster, wie er etwa für Hotels in Planung ist?
Wir werden in Kürze eine Fondslösung anbieten für österreichische Klein- und Mittelbetriebe. Die brauchen eine Stärkung der Eigenkapitalbasis, um wieder investieren zu können. Wir gehen da selbst mit ein bisschen Geld hinein, wollen aber vor allem andere institutionelle Investoren gewinnen, um KMU Geld zur Verfügung zu stellen. Hier liegt ja noch eine unglaubliche Stärke, in der großen Diversität unserer Wirtschaft. Die hohe Anzahl der kleinen und mittleren Firmen macht das Land resilient.
Um welche Summen geht es da?
Wie groß das in der Endausbaustufe sein könnte, kann ich nicht sagen. Zum Start würde ich eine Größenordnung von 50 Millionen für vernünftig halten.
Ihr Konkurrent RBI dürfte in eine ähnliche Richtung denken?
Das wäre sehr erfreulich, weil die Beteiligungskultur in diesem Land ja noch eine sehr ausbaubare ist. Was nachvollziehbar ist. Gestandene Unternehmer, die Tag und Nacht für ihre Firma leben, warten nicht darauf, dass jemand anruft und fragt, ob er sich beteiligen darf.
Die Deutschen sparen so verrückt wie seit 30 Jahren nicht.
Das überrascht kaum, oder? Wer kann, legt alles auf die Seite. Das ist auch bei uns in der Gruppe so. Allein in Österreich sind ein paar Milliarden mehr auf den Girokonten, die sonst verkonsumiert werden. Wir sehen aber auch, dass 35 Prozent unserer Kunden durch die Krise weniger Einkommen haben.
Was wird das Schwierigste bei der Überwindung der Krise sein?
Das Mindset. Wir brauchen eine Optimismus-Agenda.
Aber Sie verlassen dieses Land. Wie ist die Stimmung in Tallinn, wo Sie im nächsten Jahr hingehen, als Chef der Luminor-Bank?
Das ist eine Region mit hohem Digitalisierungsgrad, deshalb ist Banking dort sehr spannend.
War das eine länger geplante Entscheidung?
Nein. Ich bin jetzt in einer Lebenssituation, wo ich einen solchen Schritt noch einmal machen kann, der mir für meine Weiterentwicklung wichtig ist. Ich kenne dort niemanden, spreche auch die Sprache nicht.
Also die Suche nach der ultimativen Herausforderung?
Ja. Ich bin ein cooler Abenteurer (lacht). Dass ich gehe, weil ich hier nicht Chef geworden bin, ist Blödsinn.
Oder fehlte die Challenge, weil die Expansion nach Deutschland schubladisiert worden ist?
Fehlende Challenge ja, aber nicht wegen Deutschland. Ja, wir hatten dort Interesse. Eine Bankengruppe war an uns herangetreten, wollte „George“ in Lizenz. Das hat sich zerschlagen. Allein hinzugehen gleichzeitig mit vier anderen wäre aber nicht sinnvoll gewesen.
Was wird in Österreich der nächste Schritt im Banking der Zukunft sein?
Wir wollen relativ bald die automatisierte, digitale Kundenberatung einführen, damit sich Menschen einfacher um ihre Finanzen kümmern können. Wir wären damit in Europa die Ersten und werden es einfach ausprobieren.
Claudia Haase