Wie fordert die Corona-Krise die Treibacher Industrie AG heraus?
ALEXANDER BOUVIER: Ab Mai wurde es schwieriger, Juli und August waren sehr schwache Monate. Wir spüren die weltweiten Folgen, ganz besonders in der Automobil- und Flugzeugindustrie mit Auftragsrückgängen bis zu 50 Prozent. Wir kamen bisher ohne Kurzarbeit durch, Planungen für das dritte und vierte Quartal sind schwierig.

Wie geht es den Leuten an den heißen Schmelzen mit der Maske?
Wir trugen schon immer Masken in diesen Bereichen, das hat funktioniert. Herausfordernd war eine große Revision.

Bis zu wirtschaftlichem Nomalzustand wird es länger dauern?
In der Flugzeugzulieferindustrie werden wir kaum vor 2023/24 auf das bisherige Auftragsniveau kommen.

Die TIAG steht auf fünf Geschäftsbereichen divers stabil. Bei Ferrolegierungen mit Vanadium und Molybdän sind Sie für die Stahlindustrie Marktführer.
Ja, da sind wir noch gut ausgelastet. Der Hauptmarkt verschiebt sich aber von Europa nach Fernost, für Autos und Bau. Immer mehr Edelstähle gehen in die Lebensmittel- und pharmazeutische Industrie, das hilft uns in der Corona-Zeit.

Ihr Geschäftsfeld Hochleistungskeramik hat für die Luftfahrt gleichwohl Potenzial?
Wir machen keramische Beschichtungen für die Turbinenteile, die bei höheren Temperaturen sonst schmelzen würden, was mit höherer Energieeffizienz Schadstoffe eindämmt. Keramische Pulver werden auch für künstliche Gelenke und Dentalkeramik genutzt.

Für den Bereich Hartmetalle und Energiespeicher auf Titan-Mangan-Vanadium-Basis werden Wasserstoffantriebe interessant?
Noch nicht im Automobilbereich, aber für Schiffe mit Brennstoffzelle. Da tragen wir auch zu CO2-Einsparungen bei.

Wie hat die TIAG als Weltmarktführer bei den Seltenen Erden im Hauptherkunftsland China den Corona-Ausbruch gespürt?
Wir hatten dank langfristiger Lieferbeziehungen keine Engpässe. Die Chinesen haben vom Zollkrieg mit den USA gelernt. Logistikprobleme haben wir mit Rohstofflagern gemeistert.

Mit Seltenen Erden sind Sie auch umweltrelevant, wenn zum Beispiel lathanhaltige Granulate Arsen aus Trinkwasser absorbieren oder Phosphat aus Pools.
Ja, und die Seltenen Erden sind auch wichtig in Katalysatoren, mit denen wir zur NOX-Reduktion beitragen. Im Auto gibt es das schon lange, auch hier ist Potenzial im Maritimen. Frachter fahren oft noch mit Schweröl und starken Emissionen.

Bei diesem fünften Bereich Katalysatoren planen Sie eine große Investition. Was haben Sie vor?
Wir leben unseren Wahlspruch „Innovation ist unsere Tradition“ und rund 70 Leute arbeiten in der Forschung. Wir investieren 100 Millionen Euro in eine neue Recyclinganlage für Katalysatoren der Ölindustrie.

Als Sie 2006 Vorstand wurden, hieß die TIAG noch TCW für Treibacher Chemische Werke und hatte vor der Tür eine riesige Altlastendeponie. Die Treibacher haben sich vom einstigen Umweltsünder zum ökologisch ausgerichteten Innovationsführer verändert?
Es wird nicht nur in der Chemische Industrie in den Umweltschutz investiert. Für Nachhaltigkeit haben wir schon früher den Bericht des Club of Rome sehr ernst genommen. Ein Resultat ist unser Recycling von Katalysatoren der Ölindustrie schon seit 1978. Nun peilen wir modernsten Stand für ein 99-prozentiges Recycling an. Die Industrie, besonders die Chemische Industrie steht immer kritisch im Fokus. Genehmigungen werden schwieriger. In Kärnten wurde der Stellenwert der Industrie erkannt. Der servoindustrielle Bereich, auch in Österreich, macht 50 Prozent der Wertschöpfung. Hinter jedem Industriearbeitsplatz stehen zwei bis drei in der Region.

Als Spartenobmann und Industriellen-Vizepräsident galt Ihr Einsatz vor allem der Ausbildung.
Uns ist einiges gelungen, von der Industrie-HAK in Althofen bis zum HTL-Lehrgang Analytik und Digitalisierung. Darauf bin ich sehr stolz. Wir sollten junge Leute schon zur Ausbildung nach Kärnten holen. In der TIAG investierten wir 2,5 Millionen Euro in ein neues Ausbildungszentrum und bilden 45 Lehrlinge aus.

Was geben Sie den Mitarbeitern und den Vorstandskollegen Schmidtmayer und Haberl mit?
Die Herausforderung ist nicht nur Corona, sondern auch Digitalisierung der Prozesse und Lieferketten. Ich bin sicher, die schaffen das.