In der Luftfahrtbranche stehen nach dem Geschäftseinbruch durch die Coronakrise immer mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel. So plant der britische Billigflieger Easyjet, Flotte und Belegschaft am Standort Berlin fast zu halbieren. Entsprechende Informationen der deutschen Gewerkschaft Verdi bestätigte ein mit den Überlegungen Vertrauter am Mittwoch.
Laut Verdi sollen künftig nur noch 18 Jets abheben, rund 740 Jobs sollen wegfallen. Easyjet geht so wie die gesamte Branche von einer nur langsamen Erholung des Passagierflugverkehrs vom Coronaschock bis 2023 aus. Die Airline müsse sich an die Nachfrage anpassen und profitabel fliegen, erklärte Easyjet-Chef Johan Lundgren. Gespräche mit den Gewerkschaften sollen jetzt beginnen.
Die Briten hatten 2017 einen großen Teil der pleite gegangenen deutschen Fluggesellschaft Air Berlin übernommen. Ende Mai hatte die Billigairline angekündigt, bis zu 4500 ihrer rund 15.000 Arbeitsplätze wegen der Coronakrise zu streichen.
"Wir werden um die Arbeitsplätze in Berlin kämpfen", kündigte Verdi-Sekretär Holger Rößler an. Easyjet wolle außerdem den innerdeutschen Flugverkehr ganz einstellen. Der Abbauplan sei nicht mit Pandemiefolgen zu erklären, da es mit Eröffnung des Flughafens BER im Herbst neue Geschäftschancen gebe, sagte Rößler.
"Den Beschäftigten steht das Wasser bis zum Hals"
Auch bei den Ferienfliegern TUIfly und Sunexpress, einem Gemeinschaftsunternehmen von Lufthansa und Turkish Airlines, dem Auftragsflieger Luftfahrtgesellschaft Walter oder den Ryanair-Töchtern Malta Air und Laudamotion droht in Deutschland Personalabbau. Die mit neun Milliarden Euro Staatshilfen gerettete AUA-Mutter Lufthansa verhandelt noch mit Verdi und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) über Kostensenkungen, um Kündigungen zu vermeiden. Mit der Flugbegleitergewerkschaft UFO gibt es eine Einigung. Wie viele von den überzähligen 22.000 Vollzeitstellen bei der größten europäischen Airline-Gruppe gerettet werden können, ist unklar.
"Den Beschäftigten steht das Wasser bis zum Hals", kritisierte Verdi-Vizechefin Christine Behle. Die Gewerkschaft wirft Airlines, Tourismusunternehmen, Flughäfen und Bodenverkehrsdiensten vor, in der Krise Sozialdumping zu betreiben. Es sei ein Fehler, milliardenhohe Staatshilfen für Lufthansa oder den Reisekonzern TUI nicht an die Bedingung Arbeitsplatzerhalt zu knüpfen. Verdi will am Donnerstag der deutschen Regierung Forderungen an die Tourismusbranche und ein Luftverkehrskonzept übergeben. Darin fordert die Gewerkschaft eine Abkehr vom liberalisierten Airline-Markt in Europa, der zu Billigtickets auf dem Rücken der Beschäftigten geführt hätte.
"Ihr fliegt in den Urlaub, wir fliegen raus!" - unter dem gleichen Motto wie die Verdi-Aktion rufen die Pilotengewerkschaft VC und UFO zu einer Demonstration in Berlin am Donnerstag auf. Ryanair zum Beispiel fordert von den Beschäftigten bis zu 20 Prozent Gehaltseinbußen. In den Verhandlungen droht die größte Billigairline Europas immer wieder mit Standortschließungen. Rund 3000 der insgesamt 19.000 Stellen müssten wegfallen, falls es keine Zugeständnisse der Beschäftigten gibt. "Wenn wir diese Lohnkürzungen vereinbaren können, können wir so gut wie alle Stellenstreichungen vermeiden", sagte Ryanair-Chef Michael O'Leary dem TV-Sender BBC. Ryanair-Piloten in der britischen Gewerkschaft BALPA stimmten den Gehaltskürzungen zu. Damit seien 260 von 330 gefährdeten Jobs im Cockpit gesichert.
Die Airlines fahren nach dem Wegfall der Reisebeschränkungen in Europa das Fluggeschäft wieder hoch - Laudamotion-Konzernmutter Ryanair nach den Worten von O'Leary mit den niedrigsten Ticketpreisen in der Sommersaison, die der Billigflieger je im Programm hatte.