In das oberösterreichische Start-up „Hello again“ investierten Sie mitten in der Krise in einer Kapitalisierungsrunde frisches Geld. Warum?
FLORIAN GSCHWANDTNER: Statt veralteter Plastikkarte bauen wir Apps zur Kundenbindung. Der kleine Bäcker ums Eck oder das große Handelsunternehmen entscheiden selbst, welche Dienstleistungen ihre Kunden bekommen. Wir geben unserem Kunden ein Dashboard, mit dem er Zugang zur Plattform bekommt und mit seinen Kunden kommunizieren kann.
Eine standardisierte App, die „customized“ – angepasst – wird?
Richtig. Wir geben den Kunden viele Daten mit und bereiten diese auf. Bei Runtastic hatten wir dazu ein eigenes Business- Intelligence-Team, um Daten und Kaufverhalten zu analysieren. Klassische KMU haben das nicht. Wir haben jetzt schon 250 bestehende Kunden in Österreich und Deutschland.
Sie bringen neben Kapital auch Know-how ein – wo konkret?
Wie man digitale Produkte baut. Das war auch bei Runtastic mein Fokus: Wie baut man die perfekte App und skaliert eine Firma? „Hello again“ ist schnell auf 32 Köpfe gewachsen. Ob es ganz so groß werden kann wie Runtastic? Ich weiß es nicht, aber das ist auch nicht immer das Ziel.
Schadet die Krise oder nutzt sie diesem Start-up sogar?
Nutzen ist das falsche Wort. Aber ich glaube, dass viele digitale Unternehmen Krisengewinner sein können. Wir haben natürlich gesehen, dass am Anfang von einem Tag zum anderen das Telefon aufgehört hat zu klingeln, da haben wir den Businessplan adaptiert. Gott sei Dank ist es später wieder sehr gut weiter gegangen. Ich sehe in jeder Krise eine große Chance. Wenn der Markt sch… ist, dann ist er sch… Aber zwei Dinge sind positiv: Es ist keine lokale, sondern eine globale Krise. Und wenn wir besser arbeiten als unsere Mitbewerber, können wir Marktanteile gewinnen.
Die Karten werden neu verteilt?
Sie werden ein bisschen neu verteilt. In dem bisschen Neuverteilung hat man die Chance, dass man die Dinge besser macht. Ein Bekannter musste in der 2001er-Krise 600 Leute kündigen und hat danach 1000 Leute aufgebaut und sein Unternehmen später um über eine Milliarde Euro verkauft. Er sagte „Krise sei Dank“ – denn sein größtes Wachstum war in der Krise und unmittelbar danach.
Was gilt es jetzt konkret zu tun?
Man muss die Agilität bewahren, schauen, was sind die Businesspläne der Zukunft. Die Transformation in die Digitalisierung schreitet schneller voran. Es gibt schon große Krisengewinner wie Zalando gegenüber den H&Ms und sonstigen Konsorten dieser Welt. Es genügt ja, wenn man in seinem Peer – der Branche – Gewinner ist und dem Mitbewerb Marktanteile abnimmt. Wer moderner denkt, hat gute Chancen.
Was werden wir aus dieser Krise mitnehmen, was ändert sich?
Eines ganz sicher: das digitale Konsumverhalten. Viele Menschen haben schnell verstanden, digital zu konsumieren, und schätzen diesen Komfort. Viele lernten über iPhone zu videotelefonieren. Das war vorher in der Generation 60+ nicht normal – und gar nicht notwendig.
Ist das alles nur positiv?
Das sage ich nicht. Aber es ist ein Fakt. Ein Freund von mir ist Aufsichtsrat in einem asiatischen Unternehmen. Einen Tag hinfliegen, ein Tag Aufsichtsrat, einen Tag zurückfliegen, dazu der Jetlag. Eine ganze Woche war er kaputt. Jetzt hatte er sein erstes digitales Aufsichtsratsmeeting – und die Qualität war sogar besser. Er sagt, selbst wenn wir wieder dürfen, machen wir zwei von vier Meetings über Video. Und zwei physisch, damit es den menschlichen Austausch gibt. Wir werden auch mehr Homeoffice akzeptieren in vielen Unternehmen. Und es braucht das Physische: Es wird ein Mix aus Digitalisierung und dem alten Leben werden – und es wird viele Gewinner geben.
Twitter will nun Homeoffice sogar dauerhaft einführen.
Ich glaube nicht, dass das mittelfristig gut gehen wird. Ich bin überzeugt, es geht nicht nur digital. Aber auch in unseren Unternehmen war die Skepsis, ob Mitarbeiter zu Hause wirklich gut arbeiten, da. Jetzt sind wir reingezwungen worden und sehen: Es funktioniert besser als erwartet. „Zu einem gewissen Anteil ist Homeoffice erlaubt“ wird in einem Jahr Teil vieler Stellenausschreibungen sein.
Investieren Sie in andere Geschäftsideen als davor?
Wenn ich investiere, glaube ich sehr stark an das Gründerteam, natürlich muss mich auch die Idee überzeugen. Ich investiere gern in digitale Dinge, weil ich dort mithelfen kann. Ich habe aber auch in die Erzeugung personalisierter Ski und in eine Imkerei investiert. Eine schöne Idee ist Instahelp in Graz – da können wir zum Krisengewinner werden, weil onlinepsychologische Beratung über Wochen der einzige Weg war, wie man es machen durfte. Man muss auch das Momentum auf seiner Seite haben.
Investieren Sie vorsichtiger?
Ja, natürlich, wir schauen uns weniger Dinge an. Der Fokus ist jetzt ganz klar auf das bestehende Portfolio gerichtet.
Wie schwer traf die Krise die Start-up-Szene in Österreich?
Es ist schon hart für die Start-up-Szene, vor allem, wenn es um Finanzierungen und Anschlussfinanzierungen geht. Es gibt auch bei uns ein, zwei Start-ups, wo wir schauen, wie überleben die die nächsten ein, zwei Monate. Weil etwa eine B2B-Kooperation abgesagt wurde, Bestellungen ausgefallen sind und es Investmentstopps gab. Es wird einige geben, die das nicht überleben werden.
Die Regierung versprach Hilfen für Start-ups. Reichen diese aus?
Es hat jetzt alles um einiges länger gedauert als versprochen und ist schon für einige kritisch. Ich bin zufrieden, dass etwas passiert, es könnte immer mehr sein und schneller gehen.
Ihr Jurykollege bei „2 Minuten 2 Millionen“ Michael Altrichter, der auch Start-up-Beauftragter der Bundesregierung ist, warnt vor einem Massensterben von Start-ups, sollte die Hilfe ausbleiben.
Wenn keine schnelle Hilfe kommt, ist es so, dann killen wir die Innovation von Österreich. Die Auswirkungen wären wild.
Sie haben Runtastic an Adidas verkauft – werden spektakuläre Übernahmen seltener werden?
2021 wird das wieder weitergehen. Aber die ganz aufgeblasenen Sachen wie „WeWork“, das von 46 Milliarden Dollar auf 2,9 Milliarden Dollar abwertete, werden weniger werden. Profitabilität wird bei Start-ups wieder wichtiger als Fantasie.