Minuswachstum, wie lange schlummerte dieser Begriff tief in den Vokabular-Mottenkisten der Wirtschaftsforscher. Jetzt ist er da, und er bedeutet konkret, dass die österreichische Wirtschaft infolge der Corona-Krise massiv schrumpfen wird. Laut Institut für Höhere Studien IHS und Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo wird das „Wachstum“ um mindestens zwei oder 2,5 Prozent ins Minus kippen. Die Arbeitslosenquote würde auf 8,4 Prozent steigen.
Sowohl Wifo-Chef Christoph Badelt als auch IHS-Chef Martin Kocher betonen, bei ihrer höchst schwierigen Schätzung bewusst positive Szenarien zugrunde gelegt zu haben, bei denen die Wirtschaft gegen Ende April wieder „schrittweise und gut getaktet mit Gesundheitsvorkehrungen hochgefahren“ würde. Bleiben die aktuellen massiven Ausgangsbeschränkungen länger bestehen, wird der wirtschaftliche Einbruch noch viel heftiger.
Schockernachrichten waren erst am Mittwochabend aus Deutschland gekommen mit negativen Einschätzungen von schlimmstenfalls mehr als zehn Prozent weniger Wirtschaftsleistung 2020. Badelt und Kocher verstehen ihre Rolle offenbar völlig anders. Badelt: „Es ist nicht verantwortungsvoll, Horrorszenarien zu zeichnen. Das würde überhaupt nichts bringen und nur Panik verbreiten.“
Sehr wohl sehen Wifo und IHS ein hohes Abwärtsrisiko – es kann also tatsächlich eine noch tiefere Rezession werden. Bereits minus fünf Prozent drohen laut Kocher, wenn Österreich auch im Mai noch quasi geschlossen bliebe. Von der Pandemie-Entwicklung in den USA hänge ebenfalls viel ab. Kocher appelliert, sich im Moment nicht zu sehr von den schlechten Nachrichten wie bei einer selbsterfüllenden Prophezeiung beeinflussen zu lassen. „Es kann auch wieder rasch nach oben gehen, die Frage ist der Zeitpunkt, wann das der Fall ist.“ Wichtig sei, „die Erwartungen der Unternehmen zu stabilisieren“, vor allem den Bau und die Industrieproduktion aufrecht zu halten.
What ever it takes? „Die ist goldrichtig“
Die Politik der Regierung unter dem Motto „What ever it takes“, also alle Register zu ziehen und dafür alle alten Budgetziele zu kippen, findet das Lob beider. „Die ist goldrichtig“, sagt Badelt. Entscheidend sei jetzt, wie schnell die praktische Umsetzung der Hilfen gelinge.
Die oft gestellte Frage, ob das 38-Milliarden-Euro-Paket reiche, könne seriöserweise nicht beantwortet werden. Die Regierung müsse jetzt intensiv überlegen, wie man die Ökonomie wieder zum Leben bringe, mahnt Badelt. „Ich halte das für eine bevorstehende schwierige Entscheidung, in welchem Tempo man das machen kann, aber wir müssen uns damit jetzt auseinandersetzen und das wirklich planen.“
Claudia Haase