Noch Mitte letzter Woche herrschte in Ihren Werken Vollbetrieb – wie ist die aktuelle Lage bei Wienerberger?
HEIMO SCHEUCH: Wir betreiben Werke in 30 Ländern – und die Lage ändert sich stündlich. Gesundheit und Wohlbefinden unserer Mitarbeiter sowie der Kunden und Partner am Bau ist das Wichtigste. Wenn wir uns den staatlich verfügten Stopps und Eingriffen in die Wertschöpfungskette fügen müssen, tun wir das sofort.
Waren Sie überrascht, dass in Österreich die Riesen Strabag und Porr die Einstellung aller Bauarbeiten bekannt gegeben haben?
Ich bin insofern überrascht, als man auch Möglichkeit geben muss, zu arbeiten. Natürlich muss die Gesundheit im Vordergrund stehen, aber es ist schon ein sehr harter Einschnitt in das Wirtschaftsleben, wenn wir überall stillstehen, auch Zulieferer. Wir sprechen da über viele Tausende Arbeitsplätze, damit wir uns verstehen.
Sind die Regelungen der Regierung für Baustellen klar genug?
Es kann in einer Krisensituation natürlich passieren, dass die eine oder andere Regelung noch nicht hundertprozentig ist und nachgeschärft werden muss. Die Kurzarbeit ist richtig – aber das völlige Durchschneiden von Wertschöpfungsketten sehe ich problematisch.
Müssen gesetzliche Regelungen, insbesondere die Baustellen betreffend, präzisiert werden?
Ja, natürlich, wer vollzieht das dann nach, ob Abstände eingehalten werden oder nicht? Hier wird es einer Klärung bedürfen.
Wie reagiert Wienerberger auf den Einbruch der Nachfrage?
Wir werden in Kurzarbeit gehen, Urlaub abbauen und so fort. In vielen Ländern Europas, wir haben ähnliche Entwicklungen wie in Österreich in Frankreich, in Italien, in Belgien – das wird sich daher durch ganz Europa durchziehen.
Spitzt sich die Lage in anderen ‘’Wienerberger-Ländern’’ auch zu?
Ich sehe Ausnahmen – wir haben normale Nachfrage und Absatz in Nordeuropa und in Teilen Osteuropas, in Westeuropa trübt sich das Ganze aber ein.
Es werden sich viele weitere Fragen stellen – etwa, was wird mit jenen, die im Vertrauen auf Fertigstellung eines Wohnbaus ihre Wohnung gekündigt haben?
Sie haben Einzelschicksale im Immobilienbereich, aber auch den Bauarbeiter, der im Vertrauen auf seinen Job einen Kredit aufgenommen hat. Den osteuropäischen Bauarbeiter, der zurück in sein Land in eine unsichere Zukunft muss. Sie haben den Kleinunternehmer, der jetzt alle Aufträge verliert – das sind grauenhafte und schwierige Einzelschicksale. Nicht alle werden durch gesetzliche Regelungen aufgefangen. Wir befinden uns in einer schweren, sehr ernst zu nehmenden Krise, die wir noch einige Zeit nach dem hoffentlich baldigen Ende der Gesundheitskrise mit uns tragen werden.
Ist die wirtschaftliche Dimension dieser Krise so einzigartig?
Ja, weil sie ganz Europa in einer Vehemenz erfasst. Die Finanzkrise war auf die Themen Finanz und Liquidität beschränkt. Hier haben wir eine politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und gesundheitliche Dimension – wir wissen nicht, wohin sich das entwickelt. Die Art, Geschäfte zu machen, wird sich dramatisch ändern, die digitale Welt stärker um sich greifen.
Haben Sie schon eine Vorstellung zu den wirtschaftlichen Folgen und Kosten der Krise?
Derzeit beschäftigt uns das Anpassen an die Situation und das Aufstellen und Neuausrichten für die nächsten Monate – und nicht Wochen.
Die Kurzarbeit wird alle Mitarbeiter betreffen?
Den Großteil in Österreich. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob wir vollständig zumachen müssen.