Viele Arbeitnehmer sind sehr verunsichert, wie es weitergeht.
WOLFGANG KATZIAN: Der Informationsbedarf ist groß. Vor allem, weil öffentlich kommuniziert wird, wer nicht unbedingt zur Arbeit muss, soll daheimbleiben. Das betrachten natürlich viele, die ja Angst vor einer Ansteckung haben, als Aufforderung.
Eine arbeitsrechtliche Fehleinschätzung?
Ich kann nicht einfach daheimbleiben, sondern muss das mit meinem Dienstgeber vereinbaren. Insbesondere für die infrastrukturrelevanten Bereiche ist das besonders wichtig. Da hat es viele Unsicherheiten gegeben.
Es herrscht also weiterhin Arbeitspflicht.
Ja, die Aufforderung der Regierung lautet, was nicht unbedingt notwendig ist, muss man von daheim aus machen. Das teile ich auch. Aber die Abstimmung mit dem Vorgesetzten ist notwendig.
Gibt es dazu eine Formvorschrift, die einzuhalten ist?
Nein, das muss man vereinbaren. In Betrieben mit Betriebsrat wird das in der Regel gemeinsam gehandhabt. Es braucht keinen übertriebenen Formalismus, aber klar ist, es muss nachvollziehbar sein. Es muss zumindest eine Aufforderung, ein Mail vom Unternehmen an die betroffenen Mitarbeiter, im Homeoffice zu arbeiten, geben.
Bei uns melden sich Leser, die von weiterhin gut gefüllten Großraumbüros berichten. Müsste man das Homeoffice nicht deutlicher von Betrieben einfordern?
Wir sammeln solche Hinweise und Erfahrungen. Man muss schauen, wo es zusätzliche Spielregeln braucht. Im Wesentlichen ist das aber eine Angelegenheit des jeweiligen Unternehmens.
Ist die neue Kurzarbeit-Regelung für alle Fälle praktikabel genug oder gibt es Nachbesserungsbedarf?
Wir hatten bei den Verhandlungen besonders die Kleinen im Auge. Die Vorgangsweise ist eine Riesenentlastung für Unternehmen: Mehr als 90 Prozent von dem, was die Leute bekommen, bezahlt das AMS und nicht die Unternehmen. Ich kann diesen nur raten, schaut es euch in Ruhe an. Ich habe von einer Steuerberaterin gehört, die am Samstag haufenweise Anfragen von Unternehmen für Kündigungen hatte. Am Montag sagte sie, von denen, die vorhatten zu kündigen, kündigt kein Einziger. Das ist ein attraktives Modell, wenn man will. Ich schließe Kündigungen nicht aus – aber es kann niemand sagen, es hätte kein alternatives Modell gegeben, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.
Wer muss den genau zustimmen, damit ein Unternehmen in Kurzarbeit gehen kann?
Arbeitgeber und Arbeitnehmer machen sich das aus und reichen es beim AMS ein. Wir haben uns verpflichtet, dass wir innerhalb von 48 Stunden die Zustimmung der Sozialpartner geben werden. In Betrieben ohne Betriebsrat muss der Dienstgeber Einzelvereinbarungen treffen und gesammelt beim AMS einreichen. Auch hier geben wir diese Unterlagen innerhalb von 48 Stunden frei.
Sie sind überzeugt, dass das viele Unternehmen von Kündigungen abbringen wird?
Das ist die Zielsetzung der Maßnahme. Wir hoffen, dass sie auch breitestmöglich angenommen wird.
Können Sie einschätzen, wie groß der Anteil der Unternehmen sein wird, die Kurzarbeit mit 0 Stunden in Anspruch nehmen werden?
Da zeichnet sich noch kein Muster ab. Manche werden das für einige Tage benötigen, andere für mehrere Wochen. Wieder andere werden ihre Mitarbeiter später wieder für 2, 3 Stunden am Tag brauchen. Die Situation ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich, das Modell kann so unterschiedlich und flexibel gehandhabt werden, wie es notwendig ist.
Wo orten Sie noch Nachbesserungsbedarf, um Arbeitnehmer und Betriebe zu stützen?
Ich unterstütze die Forderung von AK-Präsidentin Anderl nach einem Krisenbonus für bestimmte von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen. Ich befürchte, wir werden mit dem 4-Milliarden-Euro-Paket mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auskommen, die 400 Millionen Euro für Kurzarbeit werden wir auch erhöhen müssen. Es geht darum, weitere Geldmittel freizumachen, um gut durch die nächsten Wochen und Monate zu kommen. Und die, die da jetzt als große Helden und Heldinnen gefeiert werden – von den Menschen im Gesundheitswesen bis zu den Mitarbeitern im Supermarkt, haben sich, wenn die ganze Geschichte vorbei ist, eine entsprechende Belohnung verdient. Dafür werden wir uns einsetzen.
Die Wertschätzung muss sich auch pekuniär niederschlagen?
Ja, da werden wir uns etwas einfallen lassen.