Als wir das letzte Mal ausführlich gesprochen haben, ist Greta Thunberg gerade etwas bekannter geworden. Haben Sie sie inzwischen einmal kennengelernt?
RAINER SEELE: Nein, aber ich hatte schon Vertreter von „Fridays for Future“ aus Wien hier und einen außerordentlich interessanten Dialog mit ihnen.

Oder eine Konfrontation?
Im Gegenteil. Da ist gegenseitiges Interesse, die Position des anderen kennenzulernen.

Sind wir nicht an einem Punkt angelangt, wo die Belange der Wirtschaft Nachrang bekommen müssen und elementare Klimaschutzmaßnahmen vorgehen?
Wenn wir über den Green Deal sprechen, kann man den Eindruck gewinnen, dass sich andere Themen unterzuordnen haben. Das ist nur auf den ersten Blick so. Bei der Umsetzung geht Klimaschutz nicht losgelöst von anderen Aspekten.

Die Wirtschaft hat das meiste Geld und muss das meiste tun.
Ich glaube, den Weckruf hat die Wirtschaft verstanden. Sie ist auch bereit, mehr Geld zu investieren. Schauen Sie sich das Thema Green Bonds an. Es wird eine neue Ausrichtung geben. Viele Unternehmen gehen schon freiwillige Verpflichtungen ein zur Senkung der CO2- Emissionen. Auch die OMV geht diesen Weg mit.

Wie groß ist der Druck, wenn die weltgrößte Investmentgesellschaft Blackrock von Unternehmen Nachhaltigkeit einfordert?
Jeder versucht zu punkten.

Vor Kurzem hat BP bekannt gegeben, bis 2050 CO2-neutral zu sein. Ist nicht zu befürchten, dass Grönland bis dahin eisfrei ist?
Das wollen wir nicht hoffen. Gerade die geringe Umsetzung von Klimazielen in der Vergangenheit sollte alle veranlassen, kurzfristig Maßnahmen zu setzen, die die Trendwende zeigen.

Was macht die OMV schnell?
Die kurzfristige Chance, die wir haben, ist die verstärkte Umstellung von Kohle auf Erdgas. Das bietet Versorgungssicherheit beim verstärkten Ausbau der erneuerbaren Kapazitäten in der Stromerzeugung. Wir werden uns intensiv mit synthetischen Kraftstoffen beschäftigen. Letztlich wollen wir künftig aus Kunststoffabfall Kerosin oder hochwertige petrochemische Produkte herstellen.

Die OMV will in der Förderung den CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren. Was bedeutet das in Tonnen?
Über eine Million Tonnen.

Wie hoch sind die gesamten Emissionen, nicht nur in der reinen Förderung?
Etwa elf Millionen Tonnen.

Müssen Sie nicht mehr tun?
Wir arbeiten gerade an neuen Nachhaltigkeitszielen und platzieren die Strategie im Sommer dieses Jahres neu am Finanzmarkt. Das werden keine Lippenbekenntnisse sein.

Das Ziel, die Produktion von 500.000 Fass am Tag auf 600.000 im Jahr 2025 zu steigern, bleibt?
Ja. Voraussetzung dafür ist die Umsetzung der Projekte Achimov in Russland und Neptun in Rumänien.

Eine halbe Milliarde Euro Investitionen für Umweltprojekte bis 2025 sind angesichts des OMV-Gewinns und der sonstigen Investitionen sehr wenig, oder?
Hinter den bis jetzt genannten 500 Millionen verbergen sich in erster Linie unsere Recycling-Projekte, aber auch Österreichs größte Fotovoltaikanlage, die wir gemeinsam mit dem Verbund bauen. Es macht keinen Sinn, dass ich jetzt eine neue beeindruckende Hausnummer nenne. Ich muss ja auch die Projekte dahinter definieren. Wir werden unsere Forschungsgelder erhöhen für Wasserstofftechnologien und Innovationen wie etwa chemische CO2-Weiterverarbeitung.

Was sind das für Innovationen?
Wir machen uns Gedanken, wie wir Wasserstoff aus Erdgas holen, ohne dass CO2 entsteht. Langfristig, über 2025 hinaus, wird die OMV global einer der größten Wasserstoff-Produzenten sein und eines der größten Recycling-Unternehmen.

Kunststoff-Recycling soll zu einem neuen Geschäftsfeld des Konzerns werden. Was sind die nächsten Pläne für das sogenannte Re-Oil-Projekt?
Heuer geht es ums Höher-Skalieren. Der nächste Schritt ist eine 20.000-Tonnen-Anlage. Im Endausbau 2025 soll es eine 200.000-Tonnen-Anlage sein.

Wird die in Schwechat stehen?
Wir schauen uns alle möglichen Standorte an, aber die Entscheidung dafür wird nicht nur davon abhängen, welche Rahmenbedingungen wir für Investitionen haben, sondern auch, wie die Verfügbarkeit von Kunststoffabfall ist. Aber wir haben eine bestimmte Vorliebe für Österreich. Überraschung.

Wenn es der Staat Österreich mit dem Klimaschutz wirklich ernst meint, hat er dann nicht mit seiner Beteiligung an der OMV einen veritablen Interessenskonflikt?
Das weiß ich nicht. Das müssen Sie mit dem Staat, den Aktionären besprechen.

Haben Sie da Erklärungsbedarf?
Nein. Wir reden hier über ein gesundes Unternehmen, das weltweit über 20.000 Menschen Arbeitsplätze bietet. Egal welche Regierung – jede sieht den Status quo: Man braucht uns, unsere Produkte sind elementar. Die OMV, so wie sie ist, leistet einen außerordentlichen Beitrag zum Lebensstandard in der Republik Österreich.

Welche Corona-Auswirkungen gibt es auf das OMV-Geschäft?
Die Rohölnachfrage ist deutlich zurückgegangen. Enorm schlecht läuft es bei Kerosin. Nicht nur die Fluggesellschaften leiden, auch die Raffinerien.

Fahren Sie eigentlich Tesla?
Das war jetzt ein Scherz, oder?

Oder wären Sie nicht prädestiniert für ein Wasserstoffauto?
Wir als OMV haben sogar eins. Und fünf Tankstellen.

Die niemand benutzt.
Die wir als Museum betreiben. Da kommen vier oder fünf Leute am Tag. Ich will nicht sagen, wie viele es an einer normalen Tankstelle sind.

Doch, bitte.
Knapp 1000, an manchen Standorten sogar noch mehr.