Wie infiziert CoV2 die Finanzmärkte anders, als die jährlichen Grippewellen?
PETER BREZINSCHEK: Die Reaktion auf den Finanzmärkten ist stark. Nach einer ersten Reaktion im Jänner haben sie sich im Februar in Sicherheit gewogen. Jetzt kommt die Angst zurück, was das Coronavirus für einen Störfaktor für die globalen Produktionsprozesse bedeuten kann. Bei normalen Grippewellen haben wir in Deutschland im Jahr 20.000 Tote. Da sperrt keine Fabrik zu. Wenn jetzt die große Panik ausbricht, ist das eine Verzerrung der Realität.
Die Kurseinbrüche sind real. Blickt man auf Asien, USA, Europa – was fällt auf?
Es fällt auf, dass die Börsen sowohl in Europa als auch in den USA bis vor einer Woche auf historischen Höchstständen liefen, aber nicht von besonders positiven ökonomischen Zahlen begleitet. Die Hoffnung auf eine Bodenbildung für die Konjunktur im ersten Halbjahr wird durch die Coronavirus-Entwicklung gefährdet. Das bedeutet, dass noch einmal eine längere Flaute in der globalen Konjunktur droht. Nun ist die Befürchtung groß, dass sich das Virus auch in den USA ausbreitet und der Schneeballeffekt zum Tragen kommt.
Droht 2020 eine Rezession?
Wir haben für die Eurozone 0,8 Prozent Wachstum unterlegt, die EZB 1,1, die EU-Kommission 1,2 Prozent. Sehr wahrscheinlich werden Prognosen revidiert, aber das bedeutet nicht, dass eine Rezession kommen muss.
Wie tief kann die Talfahrt der Kurse führen?
Das kann man nicht abschätzen. Man sollte aber nicht übersehen, dass in China eine gewisse Normalisierung im wirtschaftlichen Leben stattfindet. Der Shanghai-Index hat sich von seinen Tiefstständen Ende Jänner schon wieder total erholt. Das wird völlig ausgeblendet. Das Muster der zweiten Jännerhälfte in China scheint jetzt auf die Börsen in Europa und in den USA überzuschwappen. Damit werden wir auch im März konfrontiert sein.
Wie gut müssen die Nerven der Anleger - wie auch beim Virus - nun sein?
Für den Privatanleger zählt die langfristige Performance. Trotz Virus liegen Kursniveaus um 20 Prozent höher als vor einem Jahr.
Von der EZB wird Senkung der Negativzinsen erwartet. Nützt das?
Das ist Aktionismus der Europäischen Zentralbank, der realwirtschaftlich keinen Sinn macht. Es ist eher eine psychologische Maßnahme, dass die EZB etwas tut. Deshalb werden aber nicht mehr Fabriken wieder aufgesperrt.
Adolf Winkler