Sie haben anlässlich des Aufschreis wegen des unglaublichen Tierleids, das Kälbertransporte in den Libanon veranschaulichten, ein EU-weites Exportverbot für Lebenstiere in Drittstaaten gefordert. Warum haben Sie dieses nicht schon als Mitglied des EU-Parlamentes verlangt, sondern erst jetzt? Zuständig sind auch nicht Sie, sondern der Gesundheitsminister.
ELISABETH KÖSTINGER: Die Bauern haben nichts falsch gemacht, auf den Höfen geht es den Tieren gut. Das Problem entsteht, wenn die Schlachttiere über Umwege in Drittstaaten verkauft werden. Österreich hat jetzt schon viel strengere Transportregelungen als die EU, ansonsten gelten europä-ische Regeln. Unsere Kälber werden schon jetzt nicht mehr an Drittstaaten verkauft.
Dennoch landeten diese Tiere im Libanon.
Wir verkaufen sie in andere EU-Länder, etwa nach Spanien, wo sie wie im konkreten Fall in Spanien acht Monate gemästet und dann exportiert werden. Niemand, der sein Kalb aufzieht, will mit solchen Bildern konfrontiert werden. Ein nationales Verbot nützt nichts. Mein Ziel ist ein EU-weites Verbot für den Export von Schlachttieren in Drittstaaten.
Sie sind unzuständig, wie wollen Sie dennoch Ihrer Forderung Nachdruck verleihen?
Wir sind in enger Abstimmung mit Rudi Anschober, er hat die Tierschutzverantwortung. Wir haben mit ihm über diese Möglichkeit diskutiert, wir stoßen bei ihm auf offene Ohren. Die Standards beim Tierwohl in Österreich sind die besten in der Europäischen Union. Wir haben, wo es noch Kritik gab, alle Lücken geschlossen.
Sind die Standards für Tierwohl in Österreich denn schon hoch genug, wo ist noch Luft nach oben?
Das Problem, das wir haben: Die meisten Produkte unterliegen einem Preisdumping. Auf der einen Seite werden immer höhere Standards gefordert, aber die Preise bleiben ja immer gleich. Beim Geflügelfleisch werden deshalb bereits 52 Prozent aus Ländern importiert, die viel niedrigere Standards haben als Österreich. Wir wollen da gleiche Spielregeln – in Österreich haben wir unsere Hausaufgaben schon gemacht. Es ist ja genauso schlimm, wenn ein dänisches oder polnisches Tier gequält wird.
Der Preiskampf im heimischen Handel schadet dem Tierwohl?
Absolut. Das Problem sind die Millionen Tonnen Fleisch, das in die verarbeitete Produktion geht. Daher wollen wir eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte, aber auch für Kantinen und in der Gemeinschaftsverpflegung. Das soll ehestmöglich kommen.
Sie befinden sich gerade in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Spar-Chef, der Ihnen vorwirft, Sie würden durch Zurufe Preise nach oben treiben wollen.
Ich lege seit vielen Jahren meinen Finger in eine Wunde. Ich dürfte den Nagel auf den Kopf treffen, denn gleichzeitig werden sensationelle Umsatzzahlen und Konzerngewinne präsentiert.
Dafür sind Unternehmen ja da, das ist Kapitalismus.
Dann muss er im selben Atemzug sagen, dass das auf dem Rücken der kleinen Produzenten in Österreich passiert.
Sie wollen höhere Preise für Konsumenten erreichen?
Nein, der Handel muss nur die Margen weitergeben. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Rund 150.000 bäuerliche Betriebe stehen einigen wenigen großen Konzernen gegenüber. Die Erzeugerpreise stagnieren oder sinken, die Konzerne machen die Gewinne. Der Handel setzt den Prozenthammer an und die Bauern schließen im Gegenzug die Tore. Die Handelskonzerne haben eine unsägliche Marktmacht.
Die Bauern könnten im künftigen EU-Rahmenbudget 110 Millionen Euro verlieren. Würde die entfallene Summe zur Gänze aus dem nationalen Budget ausgeglichen werden?
Wir kämpfen in Brüssel um jeden Euro. Sollte es zum Schluss wirklich zu einem Minus kommen, werden wir es national ausgleichen.
Zur Gänze?
Wir haben den Spielraum in der ländlichen Entwicklung. Direktzahlungen müssen WTO-konform sein, diese können wir national nur schwer ausgleichen.
Wo soll denn Brüssel sparen, wenn nicht beim größten Haushaltsposten, dem Agrarbudget?
In der gesamten Verwaltung, gibt es Einsparungsbedarf. Und ich bin absolut für Förderober-grenzen – es kann nicht sein, dass wir noch immer Großbetriebe fördern, die Millionenzahlungen bekommen und mit ihren Produkten auf unsere Märkte drängen. Da gibt es viele Möglichkeiten zur Umverteilung.
Viele Tourismusbetriebe klagen über Arbeitskräftemangel, zugleich sind viel mehr Arbeitslose als offene Stellen gemeldet. Warum schafft man hier noch immer nicht, Angebot und Nachfrage besser zu verschränken?
Weil die meisten Arbeitssuchenden woanders leben als dort, wo freie Stellen sind. Natürlich spricht vieles dafür, dass vor allem auch ungebundene Arbeitssuchende ohne Kinder für eine Zeit lang in eine andere Region in Österreich arbeiten gehen. Das schaut sich gerade die Arbeitsministerin an. Die positive Nachricht ist ja, dass es Zigtausende Arbeitskräfte im Tourismus braucht. Der Grund ist nicht, dass es schlechte Bedingungen gibt, sondern dass es dem Tourismus so gut geht.
Die Gewerkschaft beklagt häufig unmenschliche Arbeitszeiten und die schlechte Bezahlung.
Auch in anderen Berufen wie im Krankenhaus arbeitet man nachts. Es hat sich in den letzten Jahren vieles verbessert. Viele Arbeitgeber versuchen heute, die Dienstpläne um die Bedürfnisse der Angestellten zu bauen.
Kroatische Staatsbürger drängen ab dem 1. Juli auf den Arbeitsmarkt – wie groß wird der Effekt für den Tourismus sein?
Kroaten sind bei Arbeitgebern sehr beliebt. Es schaut nicht so aus, als würde der 1. Juli besonders große Erleichterung bringen. Unser erstes Ziel ist es, die Arbeitslosen im Land in Beschäftigung zu bringen. Auch mit Aufwertung der Lehre.
Sie bezeichneten das Breitbandnetz als „Güterwege des 21. Jahrhunderts“ – durchaus treffend, weil auf Güterwegen fährt man auch stets langsam. Wann werden denn Breitband-Autobahnen gebaut?
Güterwege beschreiben den Bedarf, den wir haben. Bis 2030 wollen wir flächendeckend Gigabitnetze möglich machen – feste Glasfasernetze und 5G-Mobilfunknetze. Die Ausgangslage ist überall sehr unterschiedlich – zum Teil haben wir sehr gute Versorgung, anders als im ländlichen Raum. Wir wollen Chancengleichheit herstellen.
Der Ausbau scheitert auch daran, weil man in vielen Gebieten diesen nicht fördern darf.
Ja, die Notifizierungen von Ausbauplänen bei der EU dauern oft Jahre. Das muss schneller gehen, wir sind in Gesprächen mit der Kommission.
Die Sorgen gar nicht so weniger Bürger vor der Strahlung des neuen 5G-Netzes teilen Sie nicht?
Die Bundesregierung hat bereits vor einigen Jahren den wissenschaftlichen Beirat Funk installiert. Insgesamt hat er rund 1800 Studien zum Thema untersucht. Er hält fest, dass es zu keinerlei gesundheitsschädlichen Auswirkungen kommt. Das ist auch technisch nachvollziehbar: Die 5G-Funkwellen durchdringen nicht die Haut, im Vergleich zu den alten Schnurlostelefonen, die ein Vielfaches an Strahlung hatten. Wir nehmen aber alle Sorgen ernst.