Die Arbeitswelt teilt sich immer mehr zwischen den Zufriedenen und den besonders Belasteten. Dies zeigt eine Auswertung des Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich der vergangenen 20 Jahre, die am Freitag in Wien präsentiert wurde. Die Schere geht weiter auf: Der Abstand zwischen den besonders mit ihrer Arbeit Zufriedenen und jenen, die im Job besonders unzufrieden sind, wird größer.
Die obersten zehn Prozent, also die Zufriedensten, bleiben über 20 Jahre hinweg in den Arbeitsklimaindex-Werten konstant (2000: 141, 2019: 142 Punkte), während für die untersten zehn Prozent, also die Unzufriedensten, die Arbeitssituation immer schwieriger wird (2000: 71, 2019: 62 Punkte).
Knapp 400.000 aller Beschäftigten sind mit ihrer Arbeit sehr unzufrieden. Als Grund dafür sieht der Präsident der AK OÖ, Johann Kalliauer, etwa die Flexibilisierung: Immer mehr Beschäftigte arbeiten als Leiharbeiter, befristet oder in anderen atypischen Arbeitsverhältnissen. Auch sagen 27 Prozent der Beschäftigten im untersten Zehntel, dass ihr Einkommen nicht zum Leben reiche.
Soziale Faktoren wie Isolation und Einsamkeit am Arbeitsplatz seien ein weiteres Problem: Jene zehn Prozent der Arbeitnehmer mit der niedrigsten Arbeitszufriedenheit haben auch wesentlich seltener einen Betriebsrat oder eine sonstige Personalvertretung, an die sie sich wenden könnten. Die Möglichkeit, sich im Job weiterzubilden oder Karriere zu machen, sei auch ein wesentlicher Faktor, der die Arbeitszufriedenheit erhöhe.
Besonders unzufrieden
Arbeitnehmer in einigen Berufen sind besonders unzufrieden, in anderen wiederum überdurchschnittlich zufrieden sind.
Am unzufriedensten sind Textilarbeiter, Reinigungskräfte und Beschäftigte in der Gastronomie. Bei den Textilarbeitern gehören 33 Prozent der Befragten ins unterste Zehntel, also zu den Unzufriedensten, bei Reinigungskräften und Gastronomie jeweils 19 Prozent.
Knapp gefolgt werden sie von Fabriksarbeitern, Bauarbeitern und Lagerarbeitern (alle jeweils 17 Prozent). Überdurchschnittlich zufrieden sind hingegen Marketing-Berater, Geschäftsführer und Personen in medizinischen Assistenzberufen: Von den Marketing-Beratern gehören 23 Prozent zum obersten Zufriedenheits-Zehntel, von den Geschäftsführern 21 Prozent und in der medizinischen Assistenz 20 Prozent. Im Mittelfeld befinden sich etwa Bankangestellte, Lehrer und Ärzte.
Dabei gehe es nicht um ein "Ranking" der besten und schlechtesten Berufe, erläutert Kalliauer. Denn auch zum Beispiel in der Gastronomie gebe es sehr zufriedene Beschäftigte: 6 Prozent zählen zu den zufriedensten Arbeitnehmern.
Wichtig für die Beschäftigten seien vernünftige Entlohnung und Arbeitszeit sowie ein respektvoller Umgang, gerade in der Gastronomie und im Tourismus: "Der raue Ton in der Branche ist auch eines der Kriterien, warum manche sagen, das tu ich mir auf Dauer nicht an." Es gehe immer um die Gesamtsituation im Beruf, die durch Einkommen, Zeitdruck, körperliche Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzsicherheit, aber auch durch Führungsstil, Ansehen des Berufs in der Gesellschaft und Auskommen mit den Kollegen oder Isolation geprägt sei. Ein Beruf sei also nicht an sich schlecht oder gut, es komme immer auf die Gestaltung an.
Eigene Arbeitsfähigkeit
Die Arbeitszufriedenheit spielt auch bei der Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit eine große Rolle. Untersucht wurde bei einer Umfrage, ob jemand angesichts seiner heutigen Arbeitssituation erwartet, seinen Beruf noch bis zur Pension ausüben zu können. Im Schnitt rechnen 45 Prozent aller Beschäftigten, dass sie nicht bis zur Pension durchhalten. In der Gruppe mit niedrigster Arbeitszufriedenheit sind es sogar 69 Prozent, in der Top-Gruppe hingegen nur 17 Prozent. 74 Prozent der in der Altenpflege Beschäftigten glauben, dass sie nicht bis zur Pension arbeiten können, ebenso 65 Prozent der Reinigungskräfte, 64 Prozent der Maurer und Zimmerer sowie 60 Prozent der Fabriksarbeiter. Bei Lehrern sind es 29 Prozent, bei Sachbearbeitern 25 Prozent, und bei Bankangestellten gar nur 21 Prozent, die damit rechnen, nicht bis zur Pension arbeiten zu können.
Großer Knick ab 35 Jahren
Dabei zeigt sich ein großer Knick ab ca. 35 Jahren: Während die Jüngeren noch recht optimistisch sind, bis zur Pension arbeiten zu können, geht diese Zuversicht in Richtung des 40. Lebensjahres immer mehr verloren. 71 Prozent der befragten 26- bis 30-Jährigen sagten, sie würden wahrscheinlich bis zur Pension arbeiten, bei den 36- bis 40-Jährigen sind es nur mehr 52 Prozent, bei den 46- bis 50-Jährigen steigt der Wert wieder leicht auf 54 Prozent an. Frauen sind hier ab etwa 36 Jahren wesentlich pessimistischer als Männer eingestellt: Von 41- bis 45-jährigen Frauen denken nur 42 Prozent, sie könnten bis zur Pension arbeiten, während es bei den gleichaltrigen Männern 58 Prozent sind. Ab dem Alter von 56 Jahren denken 60 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen, dass sie bis zur Pension arbeiten werden.
Lebenszufriedenheit höher als Arbeitszufriedenheit
Die Lebenszufriedenheit ist übrigens höher als die Arbeitszufriedenheit, wie die Sozialforscher erläuterten: Nur wenige Menschen seien mit ihrem Leben ganz unzufrieden. Auch sei Lebens-Unglück "zum Glück" für den überwiegenden Teil der Menschen nur vorübergehend, während sich Arbeitsunzufriedenheit viel länger halten könne. Daher sei der Einfluss der Lebenszufriedenheit auf die Arbeitszufriedenheit sehr gering.