Alle Jahre wieder . . . im kalendarischen Nahbereich des 8. Dezember entflammen in aller Regelmäßigkeit Debatten über die Öffnungszeiten im österreichischen Handel. Dass das Thema heuer wieder besonders vielstimmig diskutiert wird, liegt daran, dass der Marienfeiertag auf einen Sonntag fällt. Und daher die Sonderregelung, die Geschäften an sich trotz Feiertag eine Öffnung von 10 bis 18 Uhr ermöglicht, in diesem Jahr nicht greift. Am kommenden Sonntag bleiben die Geschäfte also geschlossen.
In Wien trommelt die ÖVP bereits seit Wochen für Tourismuszonen und erneuert die Forderung, dass etwa in der Innenstadt die Geschäfte grundsätzlich auch am Sonntag aufsperren dürfen.
"Sonntagsöffnung für alle"
Auch Richard Lugner sprang dieser Tage wieder auf sein „Lieblingsthema“ auf und beharrt auf eine „Sonntagsöffnung für alle“. Der Einkaufszentrumsbetreiber ist mit diesem Ansinnen bereits zweimal, 2012 und 2015, vor dem Verfassungsgerichtshof abgeblitzt, auch sein Ansuchen um eine Öffnungszeiten-Ausnahmegenehmigung scheiterte im Mai 2017.
"Vier bis sechs offene Sonntage"
Für Aufsehen sorgt nun auch ein Wunsch der SES-Einkaufszentren (EKZ), die Shoppingcenter der Spar-Gruppe. Man sei zwar „vehement gegen eine generelle Sonntagsöffnung und hält auch eine Sonntagsöffnung ausschließlich in Tourismuszonen für unangemessen“. Man pocht aber auf österreichweit vier bis sechs einheitlich verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Als Hauptgrund wird der immer weiter voranschreitende Boom des Online-Handels genannt, für den keinerlei Öffnungszeiten gelten.
Warnung vor Sonntagsöffnung
Gewerkschaften, aber etwa auch die Kirche warnen vor einer wie immer gearteten Sonntagsöffnung. Und auch im Handel selbst ist das Stimmungsbild nicht einheitlich. So betont der steirische Handelsobmann Gerhard Wohlmuth, dass es einen einstimmigen Beschluss im Spartenpräsidium gebe, wonach man gegen die generelle Sonntagsöffnung sei. In der Steiermark gebe es in ausgewiesenen Tourismuszonen ohnehin Ausnahmen, aber in der Praxis zeige sich, dass viele Händler meist nicht einmal die vollen Stunden ausnützen würden. Dass der Marienfeiertag heuer auf einen Sonntag falle, sollte sich laut Wohlmuth nicht allzu stark auf das Weihnachtsgeschäft auswirken. „Wir hoffen, dass sich das kompensieren lässt.“ Zuversichtlich stimme ihn der Umstand, dass heuer bereits das erste Einkaufswochenende im Weihnachtsgeschäft sehr gute Umsätze gebracht habe.
"Umsätze werden nur verschoben"
„Viele Unternehmer sind gegen eine Sonntagsöffnung“, sagt Raimund Haberl, Spartenobmann des Kärntner Handels. Eine solche würde „die Umsätze nur verschieben“. Wichtig sei aber eine Tourismuszonenregelung für Wien, erklärt Haberl: „Die Händler dort sind die Ärmsten – die Stadt ist am Sonntag voller Leute und alle Geschäfte sperren zu.“ In Kärnten gebe es aber an Sonntagen ohnehin Öffnungsregelungen in ausgewiesenen Tourismuszonen.
Dass der 8. Dezember heuer auf einen Sonntag falle, tue „überhaupt nicht weh“, so Haberl – im Gegenteil: Der Marienfeiertag sei „der teuerste Tag im Jahr, zum Feiertagszuschlag kommt der Freizeitausgleich.“ Die Umsätze verlagerten sich auf die Tage davor und danach.
So argumentieren die Befürworter
Bis zu sechs verkaufsoffene Sonntage wünscht sich die Gruppe der Spar-Einkaufszentren (SES). Während EKZ ihre Tore geschlossen halten müssen, gehen tausende Österreicher auf Shoppingtour – vom Sofa aus. Umsätze, die im Internet – und da oft genug im Ausland – landen, schwächten den stationären Handel. Wenn der Marienfeiertag, einer der umsatzstärksten Tage im Einkaufsjahr, auf einem Sonntag fällt, werde noch stärker online eingekauft. Man wolle lediglich „Chancengleichheit“, erklärt SES-CEO Marcus Wild, und „Ungleichheiten im Wettbewerb zwischen Vertriebskanälen abbauen.“
Auch der Handelsverband will einen Probelauf für „zumindest sechs bis acht offene Sonntage im Jahr.“ Es gebe einen „Bürokratiedschungel“ von mehr als 60 Sonntagsregelungen, die Zuschlagsregeln seien „starr und kompliziert“.
Touristen verstünden nicht, warum etwa im ersten Wiener Gemeindebezirk Geschäfte sonntags geschlossen hielten. Um am Sonntag einkaufen zu gehen, weichen Besucher ins nahe gelegene Ausland aus, erklärt Rainer Will vom Handelsverband. Das „Shoppingerlebnis“ sei schließlich eine Freizeitbeschäftigung.
Ein weiteres Argument der Befürworter einer Sonntagsöffnung: 450.000 Menschen arbeiteten regelmäßig an Sonntagen. „Was unterscheidet Kellner von Verkäufern?“ lautet eine gern gestellte Frage.
Auf eine heimische Spezialität weist EKZ-„Rebell“ Richard Lugner hin: Supermärkte auf Bahnhöfen seien sonntags oft überfüllt „wie zu Kriegszeiten“, die Handelsangestellten dort leisteten „Sklavenarbeit“.
Die Österreicher machen ihr Einkaufserlebnis jedenfalls nicht von Öffnungszeiten abhängig.
Wie sehr der Onlinehandel boomt, lässt sich an der Paketflut dieser Tage ablesen: Eine Million Pakete werden im Dezember von Post, DPD, Amazon, GLS & Co. zugestellt. Und zwar täglich.
So argumentieren die Gegner
An der Spitze der Gegner einer Sonntagsöffnung im Handel stehen seit jeher Gewerkschaften und Kirchenvertreter. Auch in der aktuellen Debatte wurden umgehend Protestnoten und Warnungen laut. Der 2001 gegründeten Allianz für den freien Sonntag gehören 50 Organisationen an. Sollte es zu einer „Aufweichung“ im Handel kommen, werde eine „massive Verschlechterung“ für die Arbeitnehmer befürchtet.
Erst im Oktober wurde eine Integral-Umfrage präsentiert, die zum Ergebnis kommt, dass sechs von zehn Österreichern nicht bereit sind, am Sonntag regelmäßig zu arbeiten. Vor allem Frauen mit Kindern (67 Prozent) und Menschen im Alter von 30 bis 49 (65 Prozent) wollen demnach nicht auf den arbeitsfreien Sonntag verzichten. Franz Gosch, Bundesgeschäftsführer der FCG/GPA-djp, verweist etwa auf das zentrale Thema Kinderbetreuung: Die Einrichtungen seien in keiner Weise „auf eine derartige Situation vorbereitet“. Im Handel seien überwiegend Frauen beschäftigt, viele davon alleinerziehend.
Der arbeitsfreie Sonntag sei ein „hohes Gut und ein ethisches Grundelement unseres gesellschaftlichen und familiären Gefüges“, so Gosch.
Die Gegner weisen auch darauf hin, dass entsprechende Beschwerden von Befürwortern einer Sonntagsöffnung vom Verfassungsgericht wiederholt abgewiesen wurden.
Gespalten ist auch die Stimmung innerhalb von Österreichs Handelsbranche. Während der Handelsverband – als freiwillige Interessenvertretung großer Händler – für eine Liberalisierung eintritt, ist der Fachverband Handel in der Wirtschaftskammer dagegen.
Laut einer heuer präsentierten Studie wollen 90 Prozent der Unternehmen die allgemeine Ausweitung der Sonntagsöffnung nicht. Das hat auch damit zu tun, dass Handelsbetriebe den Beschäftigten am Sonntag das Doppelte bezahlen müsse.