Wärmere Ozeane, abschmelzende Gletscher und höhere Temperaturen. Was das Europäische Parlament zum Ausrufen des Klimanotstands brachte, belastet längst auch die Steiermark. Und dort vor allem die Landwirte, die zuletzt vermehrt von Frost, Dürre oder Starkregen geplagt waren.
Phänomene, die künftig „noch zunehmen werden“, wie Andrea Steiner im Gespräch erklärt. Seit Oktober steht sie an der Spitze des „Wegener Center für Klima und Globalen Wandel“, auf Einladung von Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, sowie Aufsichtsratspräsident Wilfried Thoma sprach sie vor 700 Gästen beim großen Agrarsymposium. „Die heimische Landwirtschaft stellt beim Klimaschutz einen großen Hebel dar und kann Entscheidendes leisten“, betont Schaller. Dazu benötige sie aber auch "das Vertrauen und den Rückhalt der Gesellschaft und der Wirtschaft".
„Die Politik ist gefragt, aktiv zu werden"
Beim „Agrargipfel“ in Raaba drehte sich alles um die Frage, wie man die heimische Landwirtschaft trotz Klimawandels „zukunftsfit“ machen kann. In der Steiermark sei diese Frage besonders relevant, da wir hier aufgrund der Lage im Alpenraum „doppelt so hohe Temperaturanstiege“ erlebten wie im globalen Durchschnitt, erklärt Steiner. Oberstes Ziel müsse es deswegen sein, „die Emissionen zu senken“. „Die Politik“, so Steiner, „ist gefragt, aktiv zu werden“.
Eine Stoßrichtung von Steiner: „CO2 wird künftig etwas kosten müssen.“ Land- und Forstwirte wiederum – sie sorgen übrigens für etwa zehn Prozent der steirischen CO2-Emissionen, Tendenz sinkend – müssten lernen, mit „Extremwetter umzugehen“.
Diesbezüglich ist in der Steiermark gerade vieles in Bewegung. So werden etwa gerade Wälder kartiert und ausgelotet, welche Baumarten wo am besten hinpassen. Joanneum Research, Land und Landwirtschaftskammer wiederum arbeiten an einem sogenannten „Masterplan Klimarisiko“, dessen Ziel es ist, die Züchtung von frost- oder trockenheitstoleranten Obst- und Ackerpflanzen voranzutreiben.
"Umdenken bei fortschreitender Bodenversiegelung"
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Simone Schmiedtbauer, EU-Abgeordnete und Obmann-Stellvertreterin im Steirischen Bauernbund, dass es entscheidend sei, "dass die umwelt- und klimawirksamen Maßnahmen in der nächsten Gemeinsamen Agrarpolitik für die Bäuerinnen und Bauern einen erkennbaren Nutzen haben müssen, in der Praxis umsetzbar sind und nicht nur neue Bürokratie bedeuten". Eine moderne und klimafreundliche Landwirtschaft brauche "Pflanzenschutzmittel und Tierschutzstandards die eine Lebensmittelproduktion in Europa ermöglichen".
„Österreich steht zwar auf der WRI-Rangliste auf Platz 134 und zählt damit zu der Gruppe der Länder mit einem niedrigen Trockenheitsrisiko. Aber da wir in Zukunft von einem gleichbleibenden bis leicht abnehmenden Sommer-Niederschlag ausgehen und gleichzeitig die Temperatur bis 2065 um weitere 1-2 Grad ansteigen wird, wird sich die Trockenproblematik auch in der Steiermark zukünftig verschärfen“, prognostizierte Alexander Podesser, Leiter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Die letzten beiden Jahre seien ein Vorgeschmack auf das gewesen, was im Jahr 2065 ein durchschnittliches Jahr sein wird. „Trockenperioden werden sich also in Zukunft nicht verhindern lassen. Wirksame Anpassungsstrategien im Agrarbereich sind am ehesten in einer Umstellung auf trockenresistentere Pflanzen zu sehen. Betreffend die Trink- und Brauchwasserversorgung kann ein ressourcenschonender Umgang im Alltag viel bewirken. Aber auch in der fortschreitenden Bodenversiegelung muss ein Umdenken stattfinden“, so Podesser.
"Unzählige Transportwege überdenken"
Johann Gasteiner, stellvertretender Direktor und Leiter für Forschung und Innovation der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, ortet den kritischsten Bereich des Klimawandels in den zunehmenden Witterungsextremen wie Trockenperioden, Starkregen und Naturkatastrophen. Bereits jetzt sei man vermehrt mit neuen Pflanzen-Schädlingen (Pilz und Rost-Krankheiten, Eschensterben, Borkenkäfer-Problematik konfrontiert und habe mit bislang bei uns nicht bekannten Krankheitserregern bei Tieren (Blauzungenkrankheit) zu kämpfen, so Gasteiner. Gegen Trockenschäden würden vermehrter Einsatz von trockenheitsresistenten Kulturen helfen, züchterische Verbesserung dieser Kulturen sowie die vermehrte Futterproduktion im Frühjahr und Herbst. Das Thema Metangasemission spiele eine untergeordnete Rolle. „Wichtiger wäre es, die unzähligen Transportwege zu überdenken“, so Gasteiner. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt Gasteiner Landwirten diese Tipps: „Grundfutter-Reserven sind einzukalkulieren und Versicherungen gegen Dürre, Hagel und andere Naturkatastrophen in Betracht zu ziehen. Zudem ist eine klare, individuelle Betriebsstrategie mit Blick auf Potenzial, Zukaufs- und Absatzchancen unabdingbar. Wo es möglich ist, wird Bewässerung in Zukunft eine große Rolle spielen.“
Rainer Dunst, Initiator und Obmann der Ökoregion Kaindorf erklärte, warum Humusaufbau ein wichtiger Teil einer Klimastrategie sein kann. „Das vielfach erprobte Humus-Programm der Ökoregion, an dem 300 Landwirte in ganz Österreich teilnehmen, hat enormes Potenzial und erfährt europaweit immer mehr Aufmerksamkeit. Es ist eine riesige Chance für unsere Landwirte und unser Klima, denn Humus bindet CO2 und könnte die CO2-Belastung in Österreich um 15 Prozent senken. Zusätzlich werden Böden durch gezielten Humus-Aufbau stabiler und können ein Vielfaches an Wasser aufnehmen, Abschwemmungen vermeiden und Trockenperioden entgegenwirken. Pflanzen werden auf natürliche Weise gestärkt und das Grundwasser ebenso wie das Klima entlastet. Ihre Leistung bekommen die Landwirte über den Humus Zertifikate-Handel von der Wirtschaft honoriert.“