Noch ist das Reisen im „Nightjet“ der österreichischen Bahn nicht nur Fahren von A nach B. Es ist auch eine Art Zeitreise. So viel konnten die ÖBB gar nicht umrüsten, dass die Waggons nicht trotz Millioneninvestitionen zumindest eine Spur Vintage-Flair einstiger Schlafwagen der Deutschen Bahn verbreiten. Vor fast genau drei Jahren übernahmen die Österreicher immerhin 40 Prozent des notleidenden deutschen Nachtzug-Geschäfts samt Garnituren und Strecken, und setzten es neu als „Nightjet“ auf die Schiene.
Erfolgsverwöhnt waren die ÖBB seitdem keineswegs. Die Konkurrenz der Billigflieger drückte hier und da kräftig auf die Erträge, räumte Bahnchef Andreas Matthä öfter ein.
Inzwischen wendet sich das Blatt. Mit dem Rückenwind der Klimadiskussion sieht die ÖBB eine große Chance, zur europäischen Nummer eins für Bahnnachtreisen zu werden. Die Streckenaufnahme nach Brüssel Anfang 2020 und die ebenfalls schon angekündigte neue Route nach Amsterdam in einem Jahr sind erst der Anfang. 2020 rollt eine komplett neue Zuggeneration an. 200 Millionen Euro investiert die Bahn in 13 Garnituren, die dann in Italien eingesetzt werden und eine Aufstockung des Angebots ermöglichen. Auch das ist nur Teil eines größeren Plans. Matthä verhandelt derzeit mit einer ganzen Reihe europäischer Bahnen für ein Nachtnetz, das sich im Idealfall von Schweden bis nach Spanien und Italien spannt. Dafür brauchen die ÖBB Partner. Ziel ist, Alternativen zu Flügen in beliebte Städtedestinationen zu bieten. Rom ist dafür schon jetzt gutes Beispiel: Wien–Rom und München–Rom sind die beliebtesten Nightjet-Angebote.
4,4 Millionen Fahrgäste in drei Jahren
In den vergangenen drei Jahren nutzten 4,4 Millionen Fahrgäste die Nightjets. Schlafwagen – etwas komfortabler als die Vierer- und Sechser-Liegewagen – sind oft ausgebucht. In der neuen Wagengeneration wird es keine Abteile mehr mit drei Betten übereinander auf jeder Abteilseite geben. Die künftigen Kojen im Vierer-Abteil bieten mehr Privatsphäre. Schlafwagen bekommen eigene Duschen und Toiletten. Auch eine einfachere Zweier-Kabine für preissensiblere Kunden wird es geben.
Aktuell sind die ÖBB mit 19 eigenen und sieben Garnituren von Nightjet-Partnern unterwegs, etwa mit den Schweizer oder niederländischen Staatsbahnen. Während die auch finanzielles Risiko mittragen, ist die Deutsche Bahn zwar Vertriebspartner, aber kommerziell nicht beteiligt. Hier hofft Matthä auf eine Änderung. Die Deutschen spielen für die ÖBB eine Schlüsselrolle, etwa bei der Trassennutzung. Konkret könnte ein Entgegenkommen der Deutschen die Fahrzeit auf der neuen Brüssel-Strecke deutlich attraktiver machen. Ob schon weitere Bestellungen neuer Nightjets vorbereitet werden? Matthä: „Wenn wir groß expandieren wollen, was wir vorhaben, dann wird es sicher nicht bei den 13 Garnituren bleiben.“
Claudia Haase