Euphorische Zusammenschlüsse, krachende Scheidungen, Zweckehen und Notfusionen – die globale Autoindustrie hat in Sachen Verpartnerung schon alles geboten. In welche Kategorie ist die nun geplante „Hochzeit“ zwischen der französischen PSA-Gruppe und dem italienisch-amerikanischen Fiat-Chrysler-Konzern (FCA) einzureihen? Es ist von allem etwas dabei. Nehmen die jetzt aufgenommenen konkreten Fusionsverhandlungen den gewünschten Lauf, dann würde der (nach Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan) viertgrößte Autokonzern der Welt entstehen. Zusammen verkauften beide Konzerne zuletzt 8,7 Millionen Fahrzeuge im Jahr. Der gemeinsame „Marken-Bauchladen“ wäre enorm – und herausfordernd. Anders als im Fall der zuletzt spektakulär gescheiterten Fusion von Fiat-Chrysler mit Renault scheinen die Aussichten auf eine tatsächliche Vereinbarung diesmal besser zu sein. Zwar sollte der Stolz der traditionsreichen Industriefamilien, der Agnellis aus Italien und der Peugeots aus Frankreich, nicht unterschätzt werden und auch die französische Staatsbeteiligung an PSA (knapp zehn Prozent der Stimmrechte) könnte noch Unwägbarkeiten mit sich bringen, doch die Zuversicht ist dennoch groß. Der angestrebte Zusammenschluss auf Augenhöhe, beide Seiten sollen jeweils 50 Prozent halten, wird – zumindest vorerst – auch auf politischer Seite begrüßt.
Hätte man noch vor einigen Jahren von einer Allianz des Zuschnitts „Not und Elend“ sprechen können, so sind die Vorzeichen mittlerweile differenzierter zu sehen. PSA hat unter der Führung von Carlos Tavares, der auch künftig an der operativen Spitze des fusionierten Unternehmens stehen würde, einen eisernen Restrukturierungskurs eingeschlagen.
Sein Beiname „Mister Effizienz“ kommt nicht von ungefähr, er konnte die Rendite von PSA in lichte Höhe treiben und auch ordentliche Gewinne verbuchen. Selbst Opel, unter GM-Führung großes Branchensorgenkind, hat seit der Übernahme durch PSA im Frühjahr 2017 offenbar den Turnaround geschafft und ist zurück auf der Gewinnspur. Wie nachhaltig das ist, muss sich freilich noch weisen. Zudem waren dafür sehr harte Schnitte nötig, die auch das Motorenwerk in Wien-Aspern zu spüren bekam.
Bei Fiat-Chrysler sieht die Situation weniger rosig aus. Insbesondere der italienische Part des Konzerns, also die Kernmarke Fiat, schwächelt gehörig. Erst gestern wurde die Bilanz für das dritte Quartal veröffentlicht, unterm Strich stand für FCA ein Verlust von 179 Millionen Euro. Dabei zeigt sich aber ganz klar: Die US-Marken des Konzerns sind in Sachen Profitabilität besser unterwegs. Die FCA-Kombination aus den spritschluckenden nordamerikanischen PS-Titanen und den italienischen Kleinwagen, die eine alternative Antriebsstrategie weitgehend vermissen lassen, ist seit jeher eigenwillig. PSA ist in Sachen Elektromobilität indes schon weiter, fällt aber auch nicht in die Kategorie Vorreiter.
Der Zusammenschluss „unter Gleichen“, so das formulierte Ziel, soll in den nächsten Wochen fixiert werden. Zumindest von den Aktionären wird diese Nachricht unterschiedlich aufgenommen: Während der Kurs von FCA gestern kräftig zulegte, schmierte jener von PSA ab.
Für Tavares wird der Zusammenschluss mit den FCA-Marken jedenfalls sicherlich keine Fingerübung, sondern ein gehöriger Kraftakt. Das jährliche Synergiepotenzial soll schließlich bei ehrgeizigen 3,7 Milliarden Euro liegen – und das, ohne Werke zu schließen. Dass es ohne harte Einschnitte letztlich nicht gehen wird, ist aber auch klar.
Immmense Herausforderungen
Was also spricht überhaupt für diese Fusion? PSA erhält Zugang zum US-Markt, umgekehrt soll Fiat-Chrysler in Asien Fuß fassen. Doch obwohl PSA mit Dongfeng einen chinesischen Anteilseigner hat, fristen auch die Franzosen ein Nischendasein in China. Der gemeinsame Zukunftspakt könnte dennoch Sinn ergeben. In der Branche läuft eine Konsolidierungswelle. Neue Antriebe, verschärfte Abgasnormen, zunehmende Vernetzung, die schwächelnde Konjunktur und nicht zuletzt auch der gesellschaftliche Wandel in der Mobilität sorgen für immense Herausforderungen und machen hohe Investitionen nötig. All das lässt sich in größeren Verbünden leichter bewerkstelligen. Das beginnt bei gemeinsam genutzten Autoplattformen in der Produktion, reicht über die Logistik bis hin zur gemeinsamen Beschaffung von Komponenten. Die zunehmende Konzentration hat auch Schattenseiten, die u. a. die Zulieferindustrie zu spüren bekommt.