Der Internationale Sparkassenkongress begründete vor 95 Jahren, 1924, den „Weltspartag“, um das Sparen ins Bewusstsein zu rücken. Anlass für Feierlichkeiten gibt es freilich keinen. Der Euro-Leitzins von 0,0 Prozent schlägt sich auf den Sparbüchern und -konten der Österreicher nieder – und vielen auf den Magen. Die Realverzinsung, also der Zinsertrag abzüglich der Inflation, ist negativ (siehe Grafik), damit geht ein Kaufkraftverlust einher.
Prinzip des Zinseszins
Das gab es auch schon früher, doch für mehrere Generationen galt ein simpler Grundsatz: Legt man sich über Jahre konsequent etwas zur Seite, profitierte man vom Zinseszins. Wer 25 Jahre monatlich einen gleichbleibenden Betrag sparte, der am Sparbuch zu fünf Prozent verzinst wurde, verdoppelte sein eingesetztes Kapital – nominell – in 25 Jahren. Nach 40 Jahren hat sich das eingesetzte Geld sogar mehr als verdreifacht.
Doch hohe Zinssätze sind Geschichte, obwohl noch 2018 Experten das Ende vom Nullzins prophezeiten. Davon ist keine Rede mehr. Sparen macht also, wie Kritiker anmerken, noch länger arm, während Schuldner profitieren. Allen voran der größte, die Republik, die sich in den letzten zehn Jahren – gegenüber der Dekade vor der Finanzkrise – 60 Milliarden Euro an Zinszahlungen an ihre Gläubiger ersparte. Die von Nullzinsen und offenen Geldschleusen der Europäischen Zentralbank – Stichwort: Anleihekäufe – zur Förderung der Inflation und der Wirtschaft mit Billionen gefluteten Märkte suchen sich neue Ventile: Preise für Immobilien, Aktien und Gold schnellten in die Höhe.
7 bis 8 Prozent Sparquote
Mit einer Sparquote von sieben bis acht Prozent liegt Österreich zwar deutlich von einstigen Spitzenwerten entfernt, „im internationalen Vergleich aber noch immer relativ hoch“, betont Gerhard Fabisch, Präsident des österreichischen Sparkassenverbandes. Dass es in den vergangenen Jahren nicht zu stärkeren Verschiebungen hin zu Wertpapierveranlagungen gekommen sei, habe aus seiner Sicht auch mit Defiziten in der Finanzbildung in Österreich zu tun. Dabei seien in einer Zinssituation wie dieser, die zu einem stetigen Kaufkraftverlust führe, gerade für die längerfristige Altersvorsorge alternative Veranlagungen notwendig. Das klassische Prinzip des Sparens als Liquiditätsreserve für Unvorhergesehenes sowie zum Ansparen für größere Investitionen sei dennoch von zentraler Bedeutung und habe aus seiner Sicht auch einen gesellschaftlichen und pädagogischen Wert, so Fabisch.
Kritik am Negativzinskurs
Er sieht daher nicht nur den Negativzinskurs der Zentralbank – für Geschäftsbanken, die bei der EZB ihr Geld parken – kritisch, sondern auch bisweilen pauschal getroffene volkswirtschaftliche Befunde, „wonach sich Sparen ohnehin nicht mehr auszahlt und es wichtiger ist, den Konsum und damit die Wirtschaft anzukurbeln“. Das Bewusstsein, dass auf jene Menschen, die sich keinen Finanzpolster ansparen, etwa im Alter noch größere Probleme zukommen, sei aus seiner Sicht nicht stark genug ausgeprägt. „Es ist unbestritten, dass die Lust am Sparen auch mit der möglichen Rendite zusammenhängt“, sagt Fabisch. Er sehe die Gefahr eines „systemischen Problems“, wenn jüngere Generationen das Sparen gewissermaßen „verlernen“. Derzeit liegt der Zinssatz für neue Spareinlagen laut Österreichischer Nationalbank durchschnittlich bei 0,12 Prozent (bei Bindung bis zu einem Jahr).
"Das Geld ist nicht weg"
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) Christoph Badelt sieht die Mini-Zinsen für die Vorsorge dennoch weniger problematisch als etwa Hyperinflation oder Finanzkrise: Denn das Geld sei „nicht einfach weg“, auch habe der „kleine Mann“ selten mehr als 10.000 Euro eingelegt. Ein Prozent Zinsen sei da gerade einmal 100 Euro wert.
Es fehlt am Wissen
Der Fachverband der Finanzdienstleister in der WKÖ appelliert nun an die Politik, Finanzbildung als Fixpunkt in den Lehrplänen zu verankern. Vielen Menschen fehle es am notwendigen Wissen, um sicher in Wertpapiere zu investieren. Denn wer sein Vermögen langfristig „real vermehren möchte, kommt um Anlagen mit höheren Chancen nicht herum“, so Fachverbandsobmann Hannes Dolzer, der etwa auf Fondssparpläne als Alternative verweist.
Trotz des Verlustbringers Sparbuch wächst das Finanzvermögen der Österreicher: laut OeNB im ersten Halbjahr 2019 auf mehr als 700 Milliarden Euro. Über ein Viertel davon entfiel auf täglich fällige Einlagen inklusive Bargeld.